Steuerabkommen mit der Schweiz: Statt Kapitulation ginge auch Attacke

In den USA war man mit juristischem Druck auf Banken erfolgreich. Deutschland aber verzichtet im Abkommen mit der Schweiz für geringe Nachzahlungen auf Strafverfolgung.

Unzufrieden mit Schwarz-Gelb wegen der Steuerpolitik. Bild: dapd

BERLIN taz | Die Bundesregierung lässt sich nicht beirren: Ungeachtet der Kritik von Opposition, Verbänden, Finanzbeamten und Strafverfolgern hat das Kabinett am Mittwochmorgen das umstrittene Steueramnestie-Abkommen mit der Schweiz gebilligt; am späten Nachmittag wurde der Text im Finanzministerium unterzeichnet und dann veröffentlicht.

Deutschland verzichtet darin gegen eine einmalige Nachversteuerung und eine künftige anonyme Quellensteuer auf Strafverfolgung - sowohl von Steuerflüchtigen als auch von Banken, die Beihilfe leisten. Gerechtfertigt wird diese Sonderbehandlung damit, dass die Schweiz zu weiteren Zugeständnissen nicht bereit war - und geringe, anonyme Steuerzahlungen doch besser seien als nichts.

In den USA stößt diese Argumentation auf Verwunderung. "Ich kann nicht verstehen, dass Deutschland vor der Schweiz kapituliert, statt zu kämpfen", sagt Jack Blum der taz. Der Finanzanwalt, der die US-Regierung ebenso berät wie die Vereinten Nationen und das Tax Justice Network, verweist zur Begründung auf die scharfen Maßnahmen, mit denen die Vereinigten Staaten gegen Steuerflucht vorgehen.

Das Steuerabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz sieht für die Zukunft eine Abgeltungsteuer von 26,5 Prozent vor - ebenso viel wie in Deutschland. Die Kontoinhaber bleiben anonym. Für die Vergangenheit sollen je nach Dauer und Summe einmalig pauschal 19 bis 34 Prozent auf das angelegte Geld fällig werden. Dafür bleiben Kunden und Bankmitarbeiter von Strafverfolgung verschont.

Die Opposition, die das Abkommen im Bundesrat stoppen kann, bekräftigte am Mittwoch ihre Ablehnung. Thomas Oppermann (SPD) sprach von einem "Anreiz zur Geldwäsche", Gesine Lötzsch (Linke) von "Klientelpflege". Grünen-Europaparlamentarier Sven Giegold sagte mit Verweis auf die USA: "Geld aus Steueroasen bekommt man auch ohne fragwürdige Amnestie." (mkr)

Das sind zum einen neue Gesetze: Mit dem "Foreign Account Tax Compliance Act", kurz Fatca, werden Finanzinstitutionen auf der ganzen Welt gezwungen, der amerikanischen Steuerbehörde die Konten sämtlicher US-Bürger mitzuteilen, um Schwarzgeld aufspüren zu können. Eine Weigerung wird für die Banken teuer: Sie müssen dann von sämtlichen Erlösen aus den USA 30 Prozent Steuern abführen. Verabschiedet wurde Fatca im letzten Jahr, gültig ist es von 2013 an. "Die großen Banken werden sich dem beugen müssen", sagt Blum. Bereits jetzt arbeiten sie weltweit an der Umsetzung, um die hohen Strafzahlungen zu verhindern.

Ungültige Kreditkarten

Ein weiteres Gesetz, das im Juli in den Kongress eingebracht wurde, würde den Druck noch weiter erhöhen. Der "Stop Tax Haven Abuse Act" sieht strenge Strafen für Staaten und Institutionen vor, die nicht mit der US-Steuerverwaltung kooperieren. So könnte es US-Banken verboten werden, Geschäfte mit unkooperativen Staaten zu machen; selbst Kreditkarten aus diesen Ländern wären dann in den USA wertlos. Zudem würde die Unschuldsvermutung umgekehrt: Alle Gelder, die von den USA in solche unkooperativen Steueroasen fließen, würden bis zum Beweis des Gegenteils demjenigen als zu versteuerndes Vermögen zugerechnet, der sie dorthin transferiert hat. "Der Missbrauch von Steueroasen untergräbt nicht nur das Vertrauen in unser Steuersystem, er erhöht auch die Steuerlast der Mittelschicht", sagte der demokratische US-Senator Carl Levin zur Begründung für die weitreichenden Pläne. "Die Menschen haben genug von solchen Tricksereien."

Neben neuen Gesetzen setzen die USA zum anderen auf die konsequente Anwendung der bestehenden. Großes Aufsehen erregte 2008 ein Verfahren gegen die Schweizer Großbank UBS, bei dem Mitarbeiter der Bank wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung angeklagt wurden. Um die Verfahren abzuwehren, stimmte die Bank 2009 einer Strafzahlung von 780 Millionen Euro zu - und übergab den US-Behörden die Kontodaten von 4.000 Steuerflüchtigen.

Schweizer Bankgeheimnis erstmals geknackt

Damit war das Bankgeheimnis der Schweiz erstmals offiziell geknackt, und die USA konnten Nach- und Strafzahlungen von mehreren Milliarden Dollar eintreiben. Ähnliche Ermittlungen laufen derzeit gegen Mitarbeiter der Großbank Credit Suisse. "Der unmittelbare Druck der USA auf die Banken ist eine sehr erfolgreiche Strategie", urteilt der Brite Nicholas Shaxson, Mitarbeiter des Tax Justice Network und Autor des aktuellen Steueroasen-Buchs "Schatzinseln".

In Deutschland haben die Schweizer Banken hingegen von den Gerichten nichts befürchten. Gegen Credit Suisse wurde zwar auch hier wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung ermittelt. In dieser Woche konnte die Bank jedoch aufatmen - sie hat einen Deal mit der Staatsanwaltschaft Düsseldorf erreicht. Gegen eine Zahlung von 150 Millionen Euro wird das Verfahren eingestellt; Kontendaten müssen nicht offengelegt werden.

In Zukunft wären entsprechende Verfahren ohnehin nicht mehr möglich: Das Abkommen mit der Schweiz sieht ausdrücklich Straffreiheit für Banken vor. "Deutschland will sich offenbar nicht mit den Banken und den reichen Steuerflüchtlingen anlegen", stellt US-Berater Jack Blum verwundert fest. "Das ist eine politische Entscheidung."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.