Steuern in Deutschland: Umgedrehtes Robin-Hood-Prinzip

Vermögen wird in Deutschland kaum besteuert. Dafür werden Gering- und Niedrigverdiener besonders stark belastet.

Im internationalen Vergleich ist die Steuer- und Abgabenlast auf Einkommen in Deutschland überdurchschnittlich hoch. Bild: dpa

BERLIN taz | Dass der deutsche Staat von seinen Bürgern besonders viele Steuern und Abgaben verlangt, ist an Stammtischen und in Politikerreden oft zu hören. Statistisch belegt ist es nicht: Nach Berechnung der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) machten Steuern und Sozialbeiträge hierzulande im Jahr 2006 insgesamt 35,6 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt - also der Summe aller produzierten Güter und Dienstleistungen - aus. Damit lag Deutschland sogar leicht unterhalb des Durchschnitts der 30 Industrieländer, die Mitglied der OECD sind.

Vor allem bei der Besteuerung von Eigentum, die überwiegend in Form von Vermögen-, Erbschaft-, Schenkung- und Grundsteuer erfolgt, liegt Deutschland seit der Abschaffung der Vermögensteuer im Jahr 1997 mit einer Quote von 0,9 Prozent weit hinter anderen Ländern (siehe Grafik). Nur in einigen osteuropäischen Staaten und Mexiko wird Eigentum noch geringer besteuert.

In anderen Bereichen erreicht Deutschland hingegen Spitzenwerte. Insgesamt überdurchschnittlich ist die Steuer- und Abgabenlast auf Einkommen. Doch auch hier gibt es nach aktuellen OECD-Berechnungen große Unterschiede. Vor allem Gering- und Durchschnittsverdiener werden stark belastet. Das gilt für Singles sowie für Paare und Familien mit zwei Erwerbstätigen. So beliefen sich Steuern und Sozialversicherungsbeiträge bei einem alleinstehenden Geringverdiener (mit zwei Dritteln des Durchschnittsverdiensts) 2008 auf 47,3 Prozent des Arbeitgeberbrutto. Das ist nach Belgien der zweithöchste Wert der OECD. Bei Spitzenverdienern (67 Prozent über dem Durchschnittsverdienst) lag Deutschland mit 52,6 Prozent auf Platz 4 hinter Belgien, Ungarn und Frankreich. Wenn nur einer der Partner arbeitet, sind die Abzüge aufgrund des deutschen Ehegattensplittings im OECD-Vergleich eher moderat.

Bei der detaillierten Analyse der OECD zeigte sich zudem eine weitere Besonderheit des deutschen Systems: Anders als die progressive Einkommensteuer vermuten lässt, sinkt in Deutschland die Belastung der Arbeitseinkommen ab einem bestimmten Punkt wieder. So fallen bei einem Single mit einem Jahresgehalt von 63.000 Euro mit 53,7 Prozent die höchsten Abzüge durch Steuern und Sozialbeiträge an. Bei 110.000 Euro Jahresgehalt müssen hingegen nur noch 50 Prozent an Sozialkassen und Staat abgeführt werden. Hintergrund für diesen Effekt ist die große Bedeutung der Sozialabgaben, die einen konstanten Prozentsatz haben und aufgrund der Beitragsbemessungsgrenze ab einem gewissen Einkommen völlig wegfallen.

Verstärkt wird die ungleiche Behandlung von Arm und Reich dadurch, dass bei hohen Einkommen ein größerer Anteil nicht aus Arbeit, sondern aus Kapitalerträgen stammt. Auf diese fallen ermäßigte Steuern von 25 Prozent an - und keine Sozialabgaben.

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