Stickoxid-Grenzwerte überschritten: Radfahrern in Hannover stinkt's

Eine Initiative will die Stadt Hannover verklagen, weil seit Jahren die Werte für giftiges Stickstoffdioxid in der Luft zu hoch sind. Dafür müssten schärfere Regelungen her.

Autos auf Hannovers Aegidientorplatz.

Am „Aegi“ hat der Autoverkehr Vorrang – noch Foto: Andrea Scharpen

HANNOVER taz | An warmen Tagen hängen die Abgase am Aegi, wie die Hannoveraner die große Kreuzung in der Nähe des Hauptbahnhofes nennen, schwer in der Luft. Zur Feierabendzeit stehen die Autos hier in langen Schlangen. Die von der EU vorgeschriebenen Grenzwerte für das ätzende Reizgas Stickstoffdioxid überschreitet die Stadt schon seit Jahren. Die Hauptursache für die dicke Luft ist der Straßenverkehr. Die Initiative „Hannovair Connection“ will nicht länger darauf warten, dass die Politik handelt. Sie bereitet derzeit eine Klage gegen die Stadt Hannover vor.

„Wir wollen die Politiker ein bisschen antreiben“, sagt Oliver Thiele, einer der Initiatoren des Netzwerks aus Privatpersonen, dem ADFC, den Umweltverbänden BUND und Greenpeace, dem Verkehrsclub Deutschland, dem lokalen Platz-Da-Projekt und dem Wissenschaftsladen Hannover.

Neuer Luftreinhalteplan verschoben

Die Umweltdezernentin der Stadt Sabine Tegtmeyer-Dette (Grüne) hatte die Präsentation eines neuen Luftreinhalteplans immer wieder verschoben. Hannovair Connection will nun dafür sorgen, dass in dem Papier eine echte Verkehrswende hin zu mehr Radverkehr festgeschrieben wird.

Zur Bike Conference treffen sich im Freizeitheim Linden in Hannover am 5. August Radler, um zu diskutieren, wie das Radfahren in der Stadt attraktiver werden kann.

Zu Gast sein wird Heinrich Strößenreuther, der Initiator des Volksentscheids Fahrrad in Berlin, für den mehr als 100.000 Unterschriften für bessere Bedingungen für Radfahrer gesammelt wurden.

Konkrete Forderungen für die Stadtentwicklung wollen die Teilnehmer der Konferenz ausarbeiten und an die Stadt Hannover übergeben.

Anmeldung und Infos: www.bike-conference.org

Durch die bevorstehende Klage werde sich die Stadt nicht trauen, ein wischi-waschi-Konzept vorzulegen, hofft Thiele. „Sie müssen sonst Angst haben, dass das Gericht den Luftreinhalteplan sofort kassiert.“ Er stellt sich eine „Privatwagen-freie City“ vor, in der Fußgänger und Fahrradfahrer Vorrang haben. In der Innenstadt würden dann nur noch Taxen, Busse und der Wirtschaftsverkehr fahren. „Leute, die mit ihrem Privatwagen zum Bäcker fahren, haben keine Priorität“, sagt Thiele, der das ganze nicht als Verbot bezeichnen will. „Unser Ansatz ist es, die Attraktivität der anderen Transportmittel zu erhöhen.“

Die Europäische Union hat in einer Richtlinie Grenzwerte für Schadstoffe in der Luft festgelegt, die seit 2010 gelten. Für Stickstoffdioxid, ein Nebenprodukt von Verbrennungsprozessen, das die Atemwege reizt, gilt eine Obergrenze von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter (µg/m3) im Jahresmittel. Weil in Deutschland viele Städte diese Grenze überschreiten, hat die EU im Sommer 2015 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Die Folge könnten hohe Geldstrafen sein.

In Niedersachsen halten außer Hannover auch Hameln, Hildesheim, Osnabrück und Oldenburg die Grenzwerte nicht ein. Das Land ist dennoch nicht Teil des Vertragsverletzungsverfahrens, da die Städte um eine Fristverlängerung für die Einhaltung der Grenzwerte gebeten haben. Die allerdings ist auch schon 2015 wieder abgelaufen. An den Werten aber hat sich wenig geändert.

Umweltzone hilft nur gegen Feinstaub

Dabei hat Hannover schon seit 2008 eine Umweltzone. Nur schadstoffarme Autos, die eine grüne Plakette haben, dürfen seither in die Innenstadt. Die Grenzwerte für Feinstaub werden deshalb inzwischen eingehalten, nur eben die für Stickstoffdioxid nicht. Um das zu ändern habe die Stadt 2011 einen Luftqualitätsplan beschlossen, sagt der Sprecher der Stadt Alexis Demos. Aber auch der war zu lasch.

Jetzt muss die Verschärfung her, die nun für den Herbst angekündigt ist – vielleicht sogar Fahrverbote. Die werden zumindest in der Öffentlichkeit diskutiert. „Wir prüfen mögliche Maßnahmen“, sagt Demos. Konkreter möchte er sich dazu nicht äußern.

Im August steht erst einmal ein Gespräch zwischen der Umweltdezernentin Tegtmeyer-Dette und der Hannovair Connection an. „Wir versuchen das im Dialog zu klären.“ Ob die Initiative nach dem Gespräch noch an dem Klagevorhaben festhalte, werde sich zeigen.

Auch Mitinitiator Thiele freut sich auf das Gespräch: „Wir werden unseren Forderungskatalog übergeben“, sagt er. Die Initiative, die es erst seit drei Monaten gibt, orientiert sich dabei an dem erfolgreichen Münchener Bürger begehren „Sauba sog i“. Bis 2025 sollen in München nun 80 Prozent aller Wege mit öffentlichen Verkehrsmitteln, dem Fahrrad, zu Fuß oder in Elektroautos zurückgelegt werden. Das hat der dortige Stadtrat beschlossen, auch mit den Stimmen der CSU.

Dasselbe will Thiele nun für Hannover versuchen. „Es ist sehr ambitioniert“, sagt er, „aber wenn man sich keine Ziele setzt, erreicht man auch nichts.“

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