Stilllegung des AKW Biblis: Maulkorb gelockert

Ein wichtiger Zeuge darf nun doch im Untersuchungsausschuss aussagen. Er warnte schon früh vor rechtlichen Risiken.

Biblis zu stoppen ist gelungen. Offen ist aber, ob dabei alles mit rechten Dingen zuging. Bild: reuters

BERLIN taz | Die Kritik blieb nicht ohne Wirkung: Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) will einem ehemaligen Referatsleiter ihres Ministeriums nun doch erlauben, im hessischen Untersuchungsausschuss auszusagen, der mögliche Fehler bei der Stilllegung des Atomkraftwerks Biblis aufklären soll. In der taz hatte Hendricks den Maulkorb zuvor damit begründet, eine Aussage untergeordneter Mitarbeiter sei zur Aufklärung nicht erforderlich und zudem steige dadurch das Risiko von Schadenersatzzahlungen für den Bund.

Nun rudert die Ministerin zurück: Aufgrund der „unredlichen Debatte“, in der der hessische CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier ihr „mangelndes Aufklärungsinteresse“ unterstellte, habe sie nun entschieden, den ehemaligen Mitarbeiter aussagen zu lassen, erklärte Hendricks am Donnerstagabend. Befragt werden soll er allerdings nur in nichtöffentlicher Sitzung.

Der Untersuchungsausschuss in Hessen soll klären, wer die Verantwortung dafür trägt, dass es bei der Stilllegung des AKW Biblis nach dem GAU im japanischen Fukushima 2011 zu rechtlichen Fehlern kam, die zu Schadenersatzzahlungen in Höhe von 225 Millionen Euro an den Betreiber RWE führen könnten.

Dazu dürfte der zunächst vom Aussageverbot betroffene Zeuge viel beizutragen haben. Es handelt sich um Gerrit Niehaus, der seinerzeit im Bundesumweltministerium das Referat „Bundesaufsicht bei Atomkraftwerken“ leitete. Ende 2011 holte ihn der baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) als Chef der Atomaufsicht nach Stuttgart.

Mit der Presse darf Niehaus derzeit nicht über die damaligen Vorgänge reden. Doch einen Eindruck davon, was er zur Aufklärung beitragen kann, geben interne Dokumente aus dem Untersuchungsausschuss, aus denen am Donnerstag zuerst das ARD-Magazin „Monitor“ zitierte. Demnach warnte das Referat von Niehaus frühzeitig vor „rechtlichen und finanziellen Risiken“ des Atom-Moratoriums. Gegen den Rat der zuständigen Mitarbeiter entschieden sich der damalige CDU-Umweltminister Norbert Röttgen und sein Abteilungsleiter Gerald Hennenhöfer, der zuvor für die Atomwirtschaft tätig war, die Abschaltung nicht mit konkreten Risiken, sondern mit einem allgemeinen „Gefahrenverdacht“ zu begründen.

Aufgrund ihrer abweichenden Meinung durfte die eigentlich zuständige Arbeitsgruppe nicht an der Begründung für das Atommoratorium mitarbeiten. Dagegen protestierten nach taz-Informationen mehrere Mitarbeiter schriftlich beim Minister. Auch das dürfte im Untersuchungsausschuss zur Sprache kommen. Die Linken im hessischen Landtag, aber auch der frühere Atom-Abteilungsleiter des Bundesumweltministeriums, Wolfgang Renneberg, vermuten, dass die Stilllegung vorsätzlich fehlerhaft erfolgte, um den Konzernen Klagen auf Schadenersatz zu ermöglichen.

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