Strahlender Abfall: So gefährlich wie Fukushima

Müll in den Kellern des AKW Brunsbüttel ist so radioaktiv wie in Fukushima. Vattenfall sagt, das beanstandete Fass sei vielleicht gar nicht durchgerostet.

Marodes Stahlblech: Fass aus dem Lager des AKW Brunsbüttel. Bild: dpa

HAMBURG taz | Der Müll, der in den Kavernen unter dem Atomkraftwerk Brunsbüttel lagert, gibt zum Teil Strahlendosen ab, wie sie vor einem Jahr an dem havarierten Atomkraftwerk Fukushima aufgetreten sind. Die schleswig-holsteinische Atomaufsicht erklärte am Montag, dass dies in der Natur der Sache liege: „Es gibt in Kernkraftwerken Bereiche mit teilweise sehr hohen Strahlenwerten – dazu gehören der Reaktordruckbehälter, und dazu können auch spezielle Lagerstätten gehören“, sagte das Justizministerium der dpa.

Unterdessen untersucht die AKW-Betreiberin Vattenfall, ob das von der Aufsicht beanstandete Fass womöglich gar nicht durchgerostet ist, sondern nur beim Leeren Schaden genommen hat.

Auf dem Gelände des AKW gibt es nach Angaben von Vattenfall sechs Kavernen für die Zwischenlagerung schwach- und mittelradioaktiven Abfalls. Darin liegen in Regalen 600 gelbe Fässer aus Stahlblech. Weitere 650 Fässer sind seit 2005 herausgeholt und in Gusseisen-Container umgefüllt worden, von denen jeder den Inhalt von 18 Fässern aufnehmen kann. Sie warten auf dem AKW-Gelände auf den Transport zum Schacht Konrad, der ab 2019 als Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle bereitstehen soll.

Das 1977 in Betrieb gegangene Atomkraftwerk Brunsbüttel verfügt über sechs Kavernen für schwach- und mittelradioaktiven Müll.

Die Wände sind 1,10 Meter dick, der Boden ein Meter, die Decke 1,50 Meter.

Isolierwannen sollen verhindern, dass die Kavernen in Kontakt mit dem Grund- oder Hochwasser geraten.

Ein Fasslager auf dem Kraftwerksgelände nimmt den zur Endlagerung in Gussbehälter umgefüllten Atommüll auf.

Seit Juni 2007 ist das AKW Brunsbüttel abgeschaltet.

Eine große Menge strahlenden Mülls ist schon in der Vergangenheit weggeschafft worden. Zwischen 1995 und 1998 seien mehr als 4.600 Gebinde in das ehemalige DDR-Endlager Morsleben transportiert worden,sagt Vattenfall-Sprecherin Barbara Meyer-Buckow. Der Müll sei den damaligen Vorschriften entsprechend einfach in den Fässern transportiert worden.

Da die Transporteure genügend Abstand von den Fässern gehabt hätten, habe sich das schadlos bewerkstelligen lassen. Die sehr hohe Strahlendosis von bis zu 500 Millisievert pro Stunde werde nur bei direktem Kontakt mit einem Fass aufgenommen. Mit zunehmendem Abstand lasse die Dosis rasch nach, was die Atomaufsicht bestätigte.

In der Luft der Kavernen wurden 30 bis 50 Millisievert je Stunde gemessen. Das ist immer noch sehr viel: Ein Arbeitnehmer in einem Atomkraftwerk darf pro Jahr höchstens 20 Millisievert aufnehmen. Vattenfall hat nach eigenen Angaben immer von der hohen Strahlung gewusst. „Deswegen geht ja auch keiner rein“, sagt Meyer-Buckow. Die Fässer werden per Fernsteuerung bearbeitet.

Für das Umfüllen des Mülls in die Guss-Container wurde nach ihrer Darstellung ein Loch in den Fassdeckel geschnitten und mit einem Schlauch der Fassinhalt abgesaugt: Pulverharze aus den Filterkonzentraten der Reaktorabwasserreinigungsanlage. Beim Absaugen rotiere das Fass mit bis zu 100 Umdrehungen pro Minute. Normalerweise sei es nach drei Stunden leer.

Bei dem angeblich Durchgerosteten habe das acht Stunden gedauert. Möglicherweise habe der ausgeschnittene Teil des Fassdeckels, der mitrotiert sei, in dieser Zeit die Fasswand durchgeschmirgelt, spekuliert die Sprecherin. Auf einem Agenturfoto (taz vom 7. März) sind jedoch stark verrostete Fässer zu erkennen.

Zur Frage, ob es zulässig sei, so stark strahlenden Müll unter dem Gelände zu lagern, sagten Vattenfall wie die Atomaufsicht, es gebe dafür keine Strahlen-Grenzwerte. Nähere Auskünfte will das Justizministerium wegen der Vielzahl der eingegangenen Fragen erst am heutigen Mittwoch geben.

Fritz Storim von der Messstelle für Arbeits- und Umweltschutz Bremen (Maus) findet, „es muss bedingungslos offengelegt werden, was los ist“. Als er von den 500 Millisievert hörte, habe er es gar nicht glauben können, dass es sich nicht um einen Messfehler handelte.

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