Streaming-Dienste in Europa: Am Wunsch der Zuschauer vorbei

Der ORF plant eine neue Videoplattform, auf der auch deutsche Anbieter Inhalte zeigen könnten. Ist das lukrativ für ARD und ZDF?

Hatte gute Quoten, durfte trotzdem nur sieben Tage in der ARD-Mediathek stehen: „Im Schmerz geboren“, Tatort mit Ulrich Tukur. Bild: dpa

Alexander Wrabetz, Chef des österreichischen Senders ORF, freut sich. Fünf Jahre nach Gründung einer eigenen Videoplattform verkündete er jetzt in Wien: „Wir sind in unserem Heimatmarkt die Nummer eins, wenn es um Onlinebereich und Bewegtbild geht. Von den öffentlich-rechtlichen Sendern hat in Europa nur noch die BBC eine ähnlich starke Stellung wie der ORF.“ Im klassischen Fernsehen und im Radio liegt der Sender schon immer vorne.

Allerdings hat der ORF auch keine ernst zu nehmenden Wettbewerber, etwa durch starke private Anbieter, darf sich zu einem großen Teil über Werbung finanzieren und ist in Österreich so etwas wie der Grundversorger in Sachen Rundfunk.

Im Sender ist man jedenfalls vom Erfolg der eignen „TVthek“, in der neuerdings auch Hollywood-Blockbuster im Livestream abrufbar sind, so begeistert, dass der Generaldirektor im nächsten Frühjahr die Videoplattform „Flimmit“ starten möchte. Hier sollen dann gegen Gebühr deutschsprachige Inhalte angeboten werden.

„Wir befinden uns auch in Verhandlungen mit deutschen öffentlich-rechtlichen Sendern und Produzenten.“ Ob ARD und ZDF auf so eine Plattform ausweichen könnten, ist fraglich. Ihr Versuch, eine eigene Streamingplattform für ihre Inhalte einzurichten, wurde im vergangenen Jahr vom Bundeskartellamt gekippt. Dafür florieren die privaten Video-on-Demand-Angebot wie Maxdome, Netflix und Sky.

Auch bei den Öffentlich-Rechtlichen wächst der Wunsch nach mehr Freiraum im Internet weiter. „Gute Inhalte erregen Aufmerksamkeit. Wir müssen sie künftig auf mehr Wegen anbieten, linear und auf Abruf“, sagt Helfried Spitra, stellvertretender Fernsehdirektor beim WDR und Leiter des Programmmanagements.

Zuschauer wollen Filme länger online

Aber nicht nur die Verantwortlichen in den Sendeanstalten, auch das Publikum wünscht sich mehr Möglichkeiten. Tina Kutscher, die in der Hauptredaktion Neue Medien beim ZDF arbeitet, bedauert, dass die Zuschauer unzufrieden sind: „Sie beschweren sich über die Löschfristen, denn manche Inhalte müssen wir nach sieben Tagen wieder aus unserer Mediathek herausnehmen.“ Das Telemediengesetz schreibt das vor. Viele Zuschauer, so Kutscher, wüssten das aber nicht und geben den Sendern die Schuld.

Der Medienwissenschaftler und Direktor des Hans-Bredow-Instituts in Hamburg, Uwe Hasebrink, hat Verständnis für die Wünsche von Öffentlich-Rechtlichen und Konsumenten: „In dem Maße, in dem sich das Kommunikationsverhalten der Menschen von den klassischen Übermittlungsformen weg und ins Internet verlagert, stellt sich zunehmend die Frage, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinen Programmauftrag noch erfüllen kann.“

Das Versprechen der Politik und der Industrie, wichtige Informationen für jeden Menschen zu jeder Zeit und an jedem Ort verfügbar zu machen, sei bei den Konsumenten angekommen: „Sie finden das gut und haben kein Verständnis mehr dafür, wenn beispielsweise Angebote im Internet nur auf sieben Tage begrenzt sind. Da gibt es einen eklatanten Widerspruch zwischen den Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger und den Konsequenzen der derzeitigen Regelung.“

Dass die Rundfunkanstalten in Deutschland strengeren Regelungen als beispielsweise die in Österreich unterliegen, hat besonders mit den starken Interessenvertretern des Privatrundfunks hierzulande zu tun, etwa dem Verband Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT). Sie sehen in den Internetaktivitäten der gebührenfinanzierten Sender eine Wettbewerbsverzerrung.

Eine entsprechende Klage bei der EU führte dazu, dass ein kompliziertes Regelwerk entstanden ist, mit dem geklärt werden muss, was zulässig ist und was nicht. Diese Diskussion spielt für die Gebührenzahler keine Rolle. „Wenn sie Barrieren nicht verstehen, stellen sie das gesamte System infrage“, sagt Hasebrink.

Alexander Wrabetz vom ORF wünscht sich jedenfalls eine gemeinsame Plattform aller öffentlich-rechtlichen Sender aus Europa: „Darüber denken wir zurzeit innerhalb der EBU, dem Verbund der öffentlich-rechtlichen Sender in Europa, nach.“

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