Streit der Woche zu Krimis: "Tatort"-Erfinder kritisiert ARD

Laufen im deutschen Fernsehen zu viele Krimis? Ja, sagt "Tatort"-Erfinder Gunther Witte. „Inflationär und kontraproduktiv“ sei die Krimischwemme.

Legendärer Vorspann: Augen von Horst Lettenmayer vor dem "Tatort". Bild: dpa

BERLIn taz | Der Erfinder des „Tatorts“ übt heftige Kritik an der ARD. „Die Devise, jeden Tag einen 'Tatort' auf einem ihrer Sender zu zeigen, ist problematisch“, schreibt Gunther Witte im „Streit der Woche“ in der sonntaz. Inflationär sei das und auf Dauer kontraproduktiv. Den deutschen Fernsehsendern wirft er vor, zu viele Krimis ins Programm zu heben. „Viel zu oft wiederholen sich Themen und Storys. Dabei geht vielen Krimis die Originalität aus“, kritisiert Witte.

Witte, 74, war über dreißig Jahre lang Fernsehspielchef beim WDR. 1969 erhielt er den Auftrag, eine Krimiserie für die ARD zu entwickeln und damit der Unterhaltungsoffensive des ZDF – konkret der Krimiserie „Der Kommissar“ - etwas entgegenzusetzen. Witte orientierte sich an einem Radiohörspiel, das Krimis in verschiedenen Städten erzählte. Der erste „Tatort“ lief 1970, kommenden Sonntag läuft die 757. Folge.

Der Schauspieler Ingo Naujoks, der acht Jahre lang im niedersächsischen „Tatort“ den Mitbewohner von Kommissarin Lindholm, gespielt von Maria Furtwängler, spielte, erkennt bei den deutschen Krimis einen gewisse Beliebigkeit. „Es gibt zu viele überflüssige Krimis im Fernsehen“, schreibt er in der sonntaz. Immer seltener würden Qualitätskriterien wie Überraschung und Individualität erfüllt. Naujoks gab vor einer Woche bekannt, dass er aus dem Niedersachsen-Tatort aussteige. Seine Figur sei „unrealistisch“ und habe kein Entwicklungspotenzial mehr.

Unbestritten ist Deutschland ein Krimiland. Jede Woche kann der geneigte Fan auf den Öffentlich-Rechtlichen und Privaten bis zu fünfzig Krimis sehen. Tatort, Polizeiruf, skandinavische Krimis und importierte Massenware aus den USA. Dem Erfolg schadet diese Schwemme nicht. Den Sonntags-Tatort sehen regelmäßig fast zehn Millionen Zuschauer. Und die Branche feiert den Erfolg. In der kommenden Woche findet in Wiesbaden das sechste Fernsehkrimi-Festival mit der Verleihung des Fernsehkrimi-Preises statt.

„Crimi sells. Nur muss man die Perlen im inflationär anmutenden Krimi-Genre mit der Lupe suchen“, sagte Kriminalhauptkommissar und Sachbuchautor Stephan Harbort taz.de. Viele Formate seien geprägt von „holzschnittartigen Helden, skurillen Schurken, plumpen Plots und rigider Realitätsferne“. An sich sei der Krimi aber nichts Schlechtes. „Wir übertreiben es nur“.

Die Fernsehkritikerin Klaudia Wick dagegen gewinnt den deutschen Krimis vor allem Positives ab. „Die Liste der 'Tatorte', die aufgrund ihrer Themenwahl gesellschaftspolitische Debatten auslösen, ist lang“, schreibt sie im „Streit der Woche“. Das deutsche Publikum habe sich darauf verständigt, „ästhetische und moralische Debatten – Highend-TV also - in Krimireihen zu suchen“.

Im „Streit der Woche“ diskutieren auch Drehbuchautor Orkun Ertener („KDD – Kriminaldauerdienst“), Medienwissenschaftler Knut Hickethier, die Initiatorin des Krimifernseh-Preises Rita Thies und taz.de-Userin Heike Popp. Und Ex-Polizeiruf-Kommissar Uwe Steimle schimpft über die ARD.

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