Streit im Lehrer-Stellen: Rot-Grün knausert bei Inklusion

Schulsenator versprach 5. Klassen der Stadtteilschulen 85 Stellen, nun werden es zehn weniger. GEW und Elternkammer sehen Versprechen gebrochen

Wo der rot-grüne Senat spart: Inklusion m Klassenzimmer Foto: Jonas Güttler (dpa)

Jahrelang war Hamburgs Inklusion nicht ausfinanziert, deshalb rangen die Grünen der SPD im Koalitionsvertrag dafür 120 Lehrerstellen ab. Weil die Stadtteilschulen den Löwenanteil dieser Aufgabe stemmen, sollten sie davon, mit 75 Stellen auf fünf Jahre verteilt, den größten Teil bekommen. Weitere 25 sind für die Grundschulen und 20 für einen „Feuerwehrtopf“ für zeitlich begrenzte Engpässe bestimmt worden. Doch nun gibt es Zweifel, ob diesen Versprechen gehalten wird.

Konkret geht es um die Förderung der Schüler im Bereich Lesen, Sprache und Emotionale Entwicklung, kurz LSE. „Künftig bekommen die Stadtteilschulen zur LSE-Förderung in den Klassenstufen 5 bis 10 rund 85 Lehrerstellen pro Klassenstufe“, hatte Schulsenator Ties Rabe (SPD) Anfang Juli in einer Presseerklärung versprochen. Doch wie jetzt durch eine Anfrage der Linken heraus kam, gab es im ersten Jahr tatsächlich nur 75 Stellen.

Zwar klingen zehn Stellen weniger nicht viel, viele Schulpraktiker werten diese Zahl aber als dramatisch. Denn eigentlich wären 101 Stellen nötig, um jene rund 840 Fünftklässler angemessen zu versorgen, die laut Gutachten einen anerkannten LSE-Förderbedarf haben. Entsprechend der Konzeption, mit der Inklusion in Hamburg 2012 startete, hat jedes Kind Anspruch auf 5,59 Wochenarbeitszeit eines Lehrers. Das entspricht drei Unterrichtsstunden. Schon die Zuweisung von nur 85 Stellen bedeutet von daher eine Kürzung. Kommen jetzt nur 75 Stellen, entspreche dies „einer Kürzung von mehr als einem Viertel“, kritisiert Claudia Wackendorf von der Elternkammer. Senator Rabe habe wohl gehofft, dass der „Fehler“ nicht auffällt, vermutet Pit Katzer vom „Hamburger Bündnis für Inklusion“, einem Zusammenschluss von 26 Organisationen. Und die GEW-Landesvorsitzende Anja Bensinger-Stolze spricht gar von einer „Bruch der Koalitionsvereinbarung“. Sie sieht die Grünen in der Pflicht, nun Druck auszuüben.

Doch Schulbehörden-Sprecher Peter Albrecht weist diese Kritik zurück. Nicht für die Stadtteilschulen, sondern für den gesamten fünften Jahrgang habe man 85 Stellen geplant. Darunter seien auch fünf Stellen für Kinder mit Förderbedarf in den fünften Klassen der Gymnasien sowie der immer noch existierenden sechsjährigen Grundschulen. Die übrigen fünf Stellen seien für besagten „Feuerwehrtopf“ vorgesehen. Albrecht räumt ein, dass die Pressemitteilung im Sommer „in der Tat unpräzise“ war.

Für Kinder mit Förderbedarf im Lernen, Sprache, emotionale Entwicklung (LSE) gibt es eine sogenannte systemische Pauschale.

Der frühere SPD-Senat nahm an, dass vier Prozent LSE-Bedarf haben. Eine Einzel-Diagnostik in den 4. Klassen ergab Ende 2014 einen Anteil von 6,6 Prozent.

Die Pauschale wird jetzt gekürzt: Statt 5,59 Wochenarbeitszeit einer Lehrkraft gibt es pro LSE-Kind nur 3,94.

Ein Vollzeit-Lehrkraft arbeitet 46,57 Stunden pro Schulwoche. Dafür hat sie mehr Ferien. Die Wochenarbeitszeit schließt Vor- und Nachbereitung ein.

Die ursprüngliche Wochenarbeitszeit von 5,59 habe man nicht halten können, sagt auch die grüne Schulpolitikerin Stefanie von Berg. Man habe die Stellen durch die Anzahl der förderbedürftigen Schüler geteilt, und sei so auf eine neue Wochenarbeitszeit von 3,94 gekommen. Genauso viele Stunden bekommen die Kinder auch an Gymnasien, und nehmen sie auch an die Stadtteilschule mit, sollten sie am Gymnasium scheitern. Schulpolitikerin von Berg wertet es als einen politischen Erfolg, dass sich die Gymnasien durch die Aufnahme förderbedürftiger Kinder überhaupt einbringen.

Für das „Bündnis für Inklusion“ ist das nicht genug. Es fordert deshalb, dass der Senator seine 85-Stellen-Zusage pro Jahrgang für die Stadtteilschulen einhält. „Wenn jetzt sechs Jahre lang zehn Stellen fehlen, summiert sich das auf 60 Stellen“, rechnet Pit Katzer vor.

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