Streit über Gentechnik in Landwirtschaft: Bio-Funktionäre wollen keine Zensur

Seit einem taz-Interview fordern Aktivisten den Rücktritt des gentechnikfreundlichen Forschers Urs Niggli. Große Ökoverbände lehnen das ab.

Bio-Gemüse liegt auf einem Tisch

Ökogemüse soll gentechfrei bleiben, sagen Bioland und Bio Suisse. Aber Diskussionen über neue Techniken seien erlaubt Foto: dpa

BERLIN taz | Mehrere Bioverbände lehnen es ab, den Direktor des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (Fibl), Urs Niggli, für ein Gentechnik-freundliches Interview zu bestrafen. „Ich halte davon überhaupt nichts“, sagte Jan Plagge, Präsident des größten deutschen Verbands, Bioland, auf die Frage der taz nach einem Rücktritt oder Maulkorb für den Wissenschaftler des Schweizer Instituts. Ähnlich positionierte sich Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Biodachverbands BÖLW. Auch die wichtigste Ökobauernorganisation der Schweiz, Bio Suisse, hob die Unabhängigkeit des Fibl hervor. Deutschlands drittgrößter Bioverband, Demeter, hingegen wollte sich nicht äußern.

Niggli hatte in der taz gesagt, die neue Gentechnik-Methode „Crispr/Cas hat großes Potenzial“, weil man damit Pflanzen einfacher und genauer verändern könne als mit früheren Gentech-Verfahren. Statt diese Technik generell abzulehnen, solle man „jede Anwendung einzeln bewerten“. Jene Crispr/Cas-Pflanzen, in die keine artfremden Gene eingeführt wurden, müssten leichter zugelassen werden als Produkte der alten Gentechnik. Mit Crispr/Cas könne man etwa Gene für Krankheitsanfälligkeit ausschalten. Das sei auch für den Biolandbau interessant.

In der Sache widersprach Bioland-Chef Plagge Niggli: „Seine Einschätzung halte ich für ziemlich weltfremd, man könne zwischen einer guten und schlechten Gentechnik unterscheiden.“ Auch Bio Suisse teilt die Meinung des Institutsdirektors nicht: Die Organisation forderte „eine strikte Regulierung der neuen Züchtungstechniken“ mit den „bestehenden Verfahren zur Risikobewertung“.

Aber Bio Suisse betonte: „Die Diskussion von kreativen und innovativen Ansätzen gehört zur seriösen Forschungstätigkeit, die unabhängig von uns geleistet wird.“ Das Fibl sei „eine kompetente und unabhängige Forschungsinstitution“.

Manche in der Bioszene fordern dennoch Nigglis Kopf. „Wenn Sie selbst der Faszination der manipulativen gentechnischen Züchtungsverfahren und ihrer vielleicht kurzfristigen Erfolge derart erlegen sind, dass Sie hier Ihre neue Mission gefunden haben, dann sollten Sie vielleicht dorthin gehen, wo Sie dieser Mission am besten nachgehen können“, schrieb der Bioapfelzüchter Hans-Joachim Bannier in einem offenen Brief an Niggli. Und weiter: „Aber dann machen Sie bitte Ihren Platz an der Spitze des Fibl frei für eine Person, die sich mit ganzem Herzblut für den biologischen Landbau einsetzt.“ Niggli lehnte es ab, dies zu kommentieren.

Das Fibl ist das wichtigste Forschungsinstitut für den Biolandbau weltweit. Es hat Schwesterorganisationen in Deutschland und Österreich.

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