Streit um Ausgrabungsstelle: Kiesabbau im Römerlager

Hannover will Rohstoffgewinnung auf archäologisch interessantem Terrain erlauben. Denkmalpfleger sind empört.

Ausgrabungsstelle mit Zeltdach

Nur für eine Nacht: Marschlager für 20.000 römische Soldaten. Foto: Peter Steffen/dpa

Der Nachweis gelang erst 2015: Im Hemminger Stadtteil Wilkenburg in der Region Hannover kampierten vor mehr als 2000 Jahren römische Soldaten. Das befestigte Marschlager bot Platz für mehr als 20.000 Legionäre, wahrscheinlich blieben die Römer dort aber nur für eine Nacht. Denkmalschützer und Archäologen heben die historische Bedeutung der Anlage hervor, Kommunalpolitiker hoffen auf ihre touristische Vermarktung.

Doch die Region Hannover – ein Kommunalverband aus den Gemeinden des früheren Landkreises Hannover und der Landeshauptstadt – sieht das anders. Dem Fund fehle die Einzigartigkeit, heißt es in einer Stellungnahme der Behörde. Unter Auflagen könne dort deshalb Kies abgebaut werden – eine gute Nachricht für die Betonfirma Holcim, die 2015 den Antrag auf Kiesgewinnung gestellt hatte.

Das Marschlager von Wilkenburg erfülle nicht die für das europäische Kulturerbe-Siegel notwendigen Kriterien, sagt die Regionsarchäologin Ute Bartelt. Es handele sich auch nicht um einen europaweit einzigartigen Fund. Dabei hatten nicht nur die Römer in Wilkenburg ihr Lager aufgeschlagen, Ausgrabungen weisen auch auf eine bronzezeitliche Siedlung hin. Solche Ansiedlungen seien aber auch anderswo entdeckt worden, schränkt Bartelt ein.

Wer darf graben?

Die Fundstelle liege in einem Vorranggebiet für Rohstoffgewinnung, argumentiert Umweltdezernent Axel Priebs. Deshalb habe Holcim grundsätzlich das Recht, dort Kies und Sand abzubauen, „solange dem Vorhaben keine höher zu bewertenden öffentlichen Interessen entgegenstehen“.

Der Sprecher des Archäologischen Arbeitskreises Niedersachsen, Robert Lehmann, kann die Position der Region Hannover überhaupt nicht nachvollziehen. Mit einer Größe von etwa 30 Hektar habe das Lager in der Zeit um Christi Geburt zu den größten rechts des Rheins gehört. Auch aus Sicht von Friedrich-Wilhelm Wulf vom Landesamt für Denkmalpflege hat das Lager von Wilkenburg eine ähnliche Bedeutung wie das Römerlager in Hedemünden bei Göttingen oder in Kalkriese, wo im Jahr 9 n. Chr. die Varusschlacht getobt haben soll.

Hemmingens Bürgermeister Claus-Dieter Schacht-Gaida (SPD) hatte sich jedenfalls darüber gefreut, „dass Hemmingen zu einem Fundort geworden ist von besonderer europäischer Bedeutung“. Die Ausgrabungsstelle könnte Touristen anlocken. Die Hemminger Grünen sprechen von einer „unterschätzten Sensation“. Anwohner und die örtliche Bürgerinitiative „Gegen Kiesabbau“ lehnen die Kiesgrube vor allem deshalb ab, weil sie Lärm und Schäden an Gebäuden und Straßen befürchten.

Entscheidung steht noch aus

Und die Kritiker haben noch Hoffnung, denn eine endgültige Entscheidung über den Kiesabbau soll erst in diesem Jahr fallen. Die Region Hannover hat zur Auflage gemacht, dass das Römerlager vor einem Kiesabbau vollständig ausgegraben und alle Funde dokumentiert werden müssen.

Das neue Denkmalgesetz in Niedersachsen erlaubt es der öffentlichen Hand, die Kosten etwa für archäologische Grabungen auf Investoren abzuwälzen. Archäologische Funde sollen im Grundsatz so lange wie möglich im Boden bleiben, weil die Fachleute darauf hoffen, dass spätere Generationen immer bessere Methoden zur Sicherung und Konservierung entwickeln.

Wenn aber das Interesse an einer Bebauung oder – wie im Falle Wilkenburgs – an Rohstoffabbau überwiegt, dann muss der Investor die Sicherung der historischen Bodenschätze im Untergrund bezahlen. Die Kosten sollen sich hier auf mehrere Millionen Euro belaufen. Möglich, dass sich die Kiesgewinnung in Wilkenburg für das Unternehmen dann nicht mehr lohnt. Die Firma will sich dazu im Februar äußern.

Zudem steht im laufenden wasserrechtlichen Planfeststellungsverfahren für den Kiesabbau noch ein Erörterungstermin aus, bei dem Antragsteller und Gegner ihre Argumente austauschen können. Erst danach könne eine endgültige Genehmigung erteilt werden, stellt die Region Hannover klar.

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