Streit um Daten-Missbrauch: Artus und die Datenritter

Polizei weist Kritik an internem Datenbank-System zurück: Angeblich nur selten Missbrauch. Innenminister Breitner wehrt sich gegen Überwachung der Beamten.

Vermutlich gab es damals andere Probleme: Polizist mit Akten aus dem späten 19. Jahrhundert. Bild: dpa

Was geht, was geht nicht mit dem Datenbank und Speichersystem „Artus“ – vom Hersteller Dataport neckisch „@rtus“ geschrieben –, das die Polizei in Schleswig-Holstein benutzt? Gestern lud die Landespolizei die Medien ein, sich ein Bild zu machen. Das „Verfahren zur Vorgangsbearbeitung“ steht seit längerem in der Kritik. Die Vorwürfe, die Datensammelei der Polizei sei übertrieben oder es gebe Datenmissbrauch, wiesen Landespolizeidirektor Joachim Gutt und LKA-Chef Thorsten Kramer am Montag zurück: Seit das System 2004 eingeführt wurde, habe es wegen Fehlverhaltens von Polizisten 59 disziplinar oder strafrechtliche Verfahren gegeben – bei täglich 2.000 Eingaben ins System.

Mit dem System kann die Polizei Millionen von „Vorgängen“, also Berichte über mögliche Straftaten, Protokolle, Sichtungen, Radarmessungen, speichern und vor allem schnell wieder darauf zugreifen – dank „intuitiv bedienbarer Oberfläche“ durchaus benutzerfreundlich, wie es in der Eigenwerbung von Dataport heißt. „Artus“ sei ein Alleskönner, schwärmt die IT-Firma, die von den Ländern Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein sowie vom kommunalen „IT-Verbund Schleswig-Holstein“ getragen wird.

Eben in dieser Vielfalt sehen Kritiker wie der schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte Thilo Weichert vom Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz (ULD) und die Piratenpartei Probleme: Es gebe Missbrauch, etwa indem Beamte privat auf Daten zugreifen. Dass solche Fälle vorkommen, zeigte die Antwort des Innenministeriums auf eine Anfrage der Piratenfraktion. In einem Fall soll eine Polizistin Autokennzeichen von Mitgliedern der Rockerbande Bandidos an die Konkurrenz, den Hells Angels, weitergeleitet haben. Die Untersuchung zu diesem Vorfall läuft noch.

Der Innenausschuss des Landtags hatte deshalb die Frage erörtert, ob künftig die Zugriffe protokolliert oder stichprobenartig automatisch überprüft werden sollten, um der Neugier der Beamten einen Riegel vorzuschieben. Inzwischen stellt sich Innenminister Andreas Breitner (SPD), selbst gelernter Polizist, mit breitem Rücken vor seine Beamten: Es stehe dem ULD „nicht an, deren Arbeit unter Verdacht zu stellen und durch Technik zu ,überwachen’“, heißt es in seiner Stellungnahme an den Innen und Rechtsausschuss.

Patrick Breyer, der für die Piraten im Landtag sitzt, bedauert diese Haltung: „Damit kommen ein Datenmissbrauch oder eine private Datenabfrage weiterhin nur zufällig heraus.“ Das Thema werde seine Fraktion aber weiter beschäftigen, vor allem, weil es eine neue Entwicklungsstufe gibt: Geplant sei ein neues Datenbanksystem, mit dem Informationen über Straftaten und mögliche Täter Bundesländer-übergreifend gesammelt werden. „Im Grundsatz kann ich das durchaus nachvollziehen“, sagt Breyer. „Aber wie passt das zum Anspruch des Föderalismus, im Bereich der Polizei eben keine zentrale Instanz zu haben?“

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