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Streit um Dokumentarfilm über AfDBühne für Extremisten

Zur Erstausstrahlung einer AfD-Doku lädt der RBB einen als rechtsextrem eingestuften AfD-Politiker zum „Bürgertalk“ ein. Ein Bündnis protestiert.

Still aus dem Film: „Wie die AfD den Osten verändert“ von Olaf Sundermeyer Foto: rbb

Die neue Doku über die AfD hat sich der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) vermutlich anders vorgestellt. Für den Film „Blaues Land“ blickte der RBB-Autor Olaf Sundermeyer ein halbes Jahr nach Brandenburg und beobachtete, „wie die AfD das Zusammenleben in den Gemeinden verändert, wie ihre völkischen Ansichten die Normalisierung des Rechtsextremismus vorantreiben“. So heißt es in der Ankündigung für die Fernsehausstrahlung am Dienstagabend um 20.15 Uhr.

Doch wegen des Vorwurfs der „Normalisierung“ von Rechtsextremismus hat sich nun Protest gegen den RBB formiert. Im Anschluss an die Doku organisiert der Sender einen „Bürgertalk“ in Bad Freienwalde, der ebenfalls im Fernsehen übertragen werden soll. Aufs Podium geladen ist neben dem Autor Sundermeyer und dem parteilosen Innenminister Brandenburgs, René Wilke, auch der AfD-Politiker Jean-Pascal Hohm.

Ausgerechnet Hohm aber steht für die Verbindung der Partei in die außerparlamentarische rechtsextreme Szene. Hohm ist Landtagsabgeordneter in Brandenburg und Vorsitzender der AfD in Cottbus. Er soll bundesweiter Chef der neuen AfD-Nachwuchsorganisation werden, die Ende November neu gegründet werden soll. Hohm ist in der Fanszene von Energie Cottbus aktiv, hatte Verbindungen zur rechtsextremen Identitären Bewegung und dem Verein Ein Prozent.

Mittlerweile ist Hohm einer von sechs AfD-Abgeordneten im Landtag, die das Landesamt für Verfassungsschutz als rechtsextrem einstuft. Erst im August wurde bekannt, dass das Amt auch den gesamten Landesverband als „gesichert rechtsextrem“ bewertet.

Die Serie

„Blaues Land“, 20.15 Uhr, RBB

Die Einladung Hohms zum „Bürgertalk“ in die Aula des lokalen Bertolt-Brecht-Gymnasiums sorgt beim Bündnis „Bad Freienwalde ist bunt“ für Unverständnis. „Wir sind entsetzt“, sagte Sprecherin Judith Strohm der taz. Vom RBB war das Bündnis mehrfach dazu eingeladen worden, sich aus dem Zuschauerraum zu Wort zu melden. Doch das lehnte ab. „Wir sind ein Bündnis mit diversen queeren Menschen und fühlen uns nicht sicher mit Herrn Hohm auf der Bühne und einem Zuschauerraum voller AfD-Anhänger“, sagte Strohm.

AfD ist stärkste Kraft

Das Bündnis hat nun eine Protestkundgebung gegen den Bürgertalk organisiert – gegen die „Normalisierung von Menschenfeindlichkeit und Hass“. Nach dem rechtsextremen Überfall vom Sommer wolle man keinen AfD-Kader in der Stadt, der gewaltbereiten Rechtsextremen den Rücken stärkt, erklärte Strohm. Am 15. Juni hatten in Bad Freienwalde ein Dutzend Vermummte ein Familienfest des Bündnisses angegriffen und mindestens zwei Teilnehmende verletzt. Die Polizei hatte daraufhin die Wohnung eines Tatverdächtigen durchsucht, der nach Informationen der taz zur neonazistischen Partei III. Weg gehört.

In Bad Freienwalde ist die AfD stärkste Kraft. Aktuell läuft die Bürgermeisterwahl, für die am 19. Oktober in der Stichwahl Ulrike Heidemann (CDU) und Frank Vettel für die AfD antreten. Vettel hatte im ersten Wahlgang die meisten Stimmen.

Ein RBB-Sprecher erklärte, die AfD sei Hauptgegenstand der Berichterstattung an jenem Abend. „Die Redaktion hat deswegen nach sorgfältiger Abwägung entschieden, in diesem Fall neben anderen auch einen AfD-Vertreter in der Diskussion zu Wort kommen zu lassen.

Selbstverständlich werden sich Moderator und Panel in der Diskussion kritisch mit Jean-Pascal Hohm und seiner Partei auseinandersetzen.“ Für den RBB sei die AfD „wegen der sich verdichtenden Anhaltspunkte für ihre rechtsextremistische Ausrichtung keine Partei wie jede andere“, was rechtfertige und dazu verpflichte, mit ihr besonders kritisch umzugehen.

Für Innenminister René Wilke spielte die jüngste Einstufung der AfD in Brandenburg als „gesichert rechtsextrem“ für die Zusage als Podiumsgast „keine“ Rolle, wie ein Sprecher knapp antwortete.

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17 Kommentare

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  • Was ich in der Diskussion hier im Forum wirklich schlimm finde, daß einige Kommentatoren meinen, das Bündnis "Freienwalde ist bunt" für seine Entscheidung kritisieren zu müssen oder ihm sogar "Feigheit" zu unterstellen. Das ist ziemlich krass, unterste Schublade und zeugt von völligem Unwissen, wie es ist, in einem Ort unterwegs zu sein, in dem Rechtsextreme die stärkste Kraft sind und sich einge von ihnen auch nicht davor scheuen gewaltsam gegen Andersdenkende vorzugehen. Wissen diese Foristen eigentlich, wie es sich anfühlt, wenn Menschen aufgrund ihres Andersseins von den Rechtsextremen angegriffen werden? Ich glaube nicht. Oder sind diese Kommentatoren schon zusammengeschlagen worden, hatten ein Messer am Hals oder bekamen eine Morddrohung.... Freundevon mir und ich haben das selbst erlebt... und die "Staatsmacht" hat sich hierbei nett gesagt auch nicht mit Ruhm bekleckert. Meine absolute Hochachtung geht an das Bündnis Freienwalde ist bunt" für seinen Mut. Danke!!!

  • Ich frage mich immer wieder, warum die Verantwortlichen beim Fernsehen immer wieder meinen, Rechtsextremisten eine Bühne bieten zu müssen, zumal bei so einem Film. Das ist völlig daneben. Und daß ein Innenminister noch nicht einmal bereit ist, zu erklären, warum es ihm nichts ausmacht mit einen Rechtsextremen auf dem Podium zu sitzen, erschließt sich mir ebensowenig. Die Sendungs-Verantwortlichen hätten ja auch anstelle des AFD Abgeordneten z.B. die Initiative "Freienwalde ist bunt" auf Podium einladen können, anstatt sie als "Feigenblättchen" in den Zuschauerraum zu verbannen. Die Rechtfertigung, die bei Einladung von Rechtextremisten ja gerne oft benutzt wird, man müsste sich doch mit deren "Meinung" auseinandersetzen, denn die AFD würde sonst die "Opferrolle" spielen, ist armselig und gefährlich.

  • Warum sitzt die Zivilgesellschaft nicht auf dem Podium? Ein Skandal, dass stattdessen einem zwielichtigen AFD-Politiker so viel Öffentlichkeit geboten wird.



    Statt über strukturelle Probleme zu reden, die der AFD so viel Auftrieb geben, Politiker-Talk mit ganz, ganz kritischen Fragen, hoffentlich auch an den eingeladenen Innenminister.



    Noch ein schlimmeres Niveau bot Ingo Zamperoni mit seiner Politshow, als er ernsthaft fragte, soll es für Migranten eine Quote in Schulkassen geben?



    RBB-Reporter Olaf Sundermeyer verlinkt auf seinem X-Account einen Artikel über den Protest der Zivilgesellschaft gegen die RBB-Einladung an einen AFD-Politiker, hat aber keine Meinung zum Affront des RBB, einen AFD-Politiker einzuladen.



    Und überhaupt, was bringt es Herr Sundermeyer, einen AFD-Politiker mit der Kamera einen AFD-Politiker zu begleiten? Richtig, sie dagen es selbt im Hörfunk: der mache mit, weil ihm das Öffentlichkeit bringt!! WIN-WIN also für die AFD und den RBB. Nein, dass ist schlechter RBB-Journalismus.

  • Die AfD ist in Brandenburg in mehreren Städten und Kommunen stärkste Kraft.

    Da lässt sich eine Brandmauer im ÖRR nicht mehr halten.

    Außer man will den RBB zum Propaganda-Sender degradieren.

    Eine kritische Sendung über die AfD ohne eine Stimme der AfD zu den Vorwürfen wäre aus journalistischer Sicht kaum tragbar.

    "Bad Freienwalde ist bunt" und andere NGOs müssen sich konfliktfreudiger aufstellen.

    • @rero:

      ""Bad Freienwalde ist bunt" und andere NGOs müssen sich konfliktfreudiger aufstellen." Ist ja auch gaaaaanz einfach, in einer Stadt, wo Rechtextremisten die stärkste Kraft sind und die Polizei entweder nicht in der Lage oder Willens ist, Andersdenkende adäquat zu beschützen. Siehe der Überfall auf das Bündnis im Juni...

  • Leider vergreifen sich öffentlich Rechtliche immer wieder, sowohl bei der Wahl von Gästen aus dem faschistoiden Lager als auch bei der Wahl der Moderatoren oder Interviewern. Ob aus kognitiver Unfähigkeit, blauäugigem Transparenzwillen oder der Überschätzung eigener rhetorischer Fähigkeiten ist nicht belegt, doch es passiert immer wieder.

    Wie inzwischen allgemein bekannt sein dürfte bedurfte es sogar im Sommerinterview des ZDF einen Schüler der offenlegte, wie kognitiv eingeschränkt ein mit bloßen Phrasen agierender Tino Chrupalla, immerhin Co-Vorsitzender der rechtsextremen AfD, tatsächlich ist.



    www.youtube.com/watch?v=65exOAKgnvA

    Gerade in Regionen wo das Gemeinwesen ob aus Unwissenheit oder Überzeugung so extrem rechtslastig ist, bedarf es mehr Fingerspitzengefühl, will man neue Begeisterung auch für die Beschwerlichkeiten demokratischer Grundsätze schaffen.

  • Was soll dieser Cancel-Schwachsinn mal wieder. Wenn der rechtsextrem ist: lasst ihn reden und sich entlarven.



    Die AfD lebt vom Märtyrer-Mythos. Nehmt es ihnen weg.

    • @Yannis Pappas:

      "Was soll dieser Cancel-Schwachsinn mal wieder. Wenn der rechtsextrem ist: lasst ihn reden und sich entlarven.



      Die AfD lebt vom Märtyrer-Mythos. Nehmt es ihnen weg."



      Diese Behauptung höre ich nun schon seit Jahren. "Seltsamerweise" hat diese Strategie scheinbar vollständig versagt, im Gegenteil, hat sie die AFD auch nach Meinung von Experten noch stärker gemacht.

  • Na das klingt doch interessant. Jedenfalls die Sendung um 20:15 Uhr. Das anschließende Gelaber bzw. sog. Bürgertalk kann man sich wahrscheinlich sparen.

    Frage für einen Freund: Jean-Pascal ist aber kein urdeutscher Vorname, oder ?

  • Wir reden auch mit denen, die uns die Fresse polieren, danke für nix RBB.

  • "Vom RBB war das Bündnis mehrfach dazu eingeladen worden, sich aus dem Zuschauerraum zu Wort zu melden. Doch das lehnte ab. „Wir sind ein Bündnis mit diversen queeren Menschen und fühlen uns nicht sicher mit Herrn Hohm auf der Bühne und einem Zuschauerraum voller AfD-Anhänger“, sagte Strohm."

    Finde ich eine schwache und vorgeschobene Ausrede. Das ist eine öffentliche, im Fensehen übertragene Veranstaltung, da wird bestimmt kein rechtsextremer Mob die Bühne stürmen, abgesehen davon, dass man auch dafür hätte sorgen können, dass eigene Leute im Zuschauerraum sitzen und eben nicht nur AFD Anhänger. Hier hätte man die Chance gehabt Kante zu zeigen und sich der AFD zu stellen, stattdessen duckt man sich feige weg und überlässt der AFD die Bühne.

    • @PartyChampignons:

      Haben Sie eigentlich schon Veranstaltungen, in denen Rechtsextremisten mitreden könne, erlebt? Haben Sie etwa auch vergessen, daß es noch nicht sehr lange her ist, daß Neonazis das Fest von "Bad Freienwalde ist bunt" angegriffen haben? Wenn ich lese, wie stark die Rechtsextremisten in Bad Freienwalde sind und damit sehr gefährlich für Andersdenkende, empfinde ich das Bündnis "Bad Freienwalde ist bunt" in keinster Weise als feige und es duckt sich schon garnicht weg. Das Bündnis hat genau das richtige getan und zu einer Kundgebung aufgerufen, um gegen das unmögliche Verhalten des RBB zu protestieren. Denn das ist doch der eigentliche Skandal, den man immer wieder beobachten kann, daß die Verantwortlichen im Fernsehen noch immer solche Rechtsextremisten einladen und ihnen damit eine Bühne geben. Der Sender hätte ja z.B. auch die Initative einladen können, anstelle eines AFD Abgeordneten mit Kontakt zu Neonazis. Ich finde es doch sehr vermessen, dem Bündnis "Feigheit" vorzuwerfen.

    • @PartyChampignons:

      Sehe ich auch so. Mittlerweile gibt es eine so große Anzahl von schlagfertigen Argumenten, welche die AfD unendlich peinlich dastehen lässt. Eine verpasste Chance.

      • @Andreas Flaig:

        ...sagt sicherlich jemand, der sich in genauso einer gefährlichen Lage, wie die Intiative "Bad Freienwalde ist bunt" befindet und der sicherlich auch immer in der ersten Reihe steht, wenn es gegen Rechtextremisten geht...

    • @PartyChampignons:

      Auf die Polizei kann man sich in rechtsextrem unterwanderten Gegenden eher nicht verlassen. Die Schläger aus den Kreisen der AgD wird die Anwesenheit der Presse und Polizei auch weniger stören.

    • @PartyChampignons:

      Ich kenne natürlich nicht die detaillierte Lage, in der sich das genannte Bündnis befindet, jedoch kann ich verstehen wenn schon Feiern von Nazis angegriffen werden (" Am 15. Juni hatten in Bad Freienwalde ein Dutzend Vermummte ein Familienfest des Bündnisses angegriffen und mindestens zwei Teilnehmende verletzt.") dann die Anhänger des Bündnisses nicht umbedingt auch noch im Fernsehen übertragen werden wollen. Damit malt man sich ja dann nur selbst eine Zielscheibe aufs Gesicht für zukünftige angriffe.