Streit um EU-Corona-Gelder in Italien: Zerreißprobe für Regierung

Italiens Koalition war von Anfang an eine Notlösung. Beim Zoff um das Geld aus dem Recovery Fund könnte es zum endgültigen Bruch kommen.

Eine Frau mit Maske füttert Tauben, die wild auffliegen

Verteilungskämpfe in Rom Foto: Vincenzo Livieri/ZUMA Wire/dpa

ROM taz | Steht Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte mit seiner Koalition vor dem Aus – oder gelingt ihm ein Neuanfang? Schon auf der Kabinettssitzung am Dienstag könnte es die Antwort geben. Liefern wird sie die Kleinpartei Italia Viva (IV) des früheren Ministerpräsidenten Matteo Renzi, die seit mehr als einem Monat mit dem Koalitionsbruch droht, wenn Conte ihr nicht in zahlreichen Punkten entgegenkommt.

Renzi hatte seinen Feldzug gegen Conte im frühen Dezember begonnen. Hauptgegenstand des Streits war der Recovery Fund, der Wiederaufbauplan, für den Italien aus dem EU-Haushalt 209 Milliarden Euro erhalten soll. Renzi störte sich sowohl an der inhaltlichen Ausgestaltung des Plans als auch an Contes Vorstellungen, wie die Regierung die Verwendung der Ressourcen managen sollte. Renzi verlangt eine deutliche Erhöhung der für das Gesundheitswesen, die Schulen und die Infrastruktur vorgesehenen Mittel. Zugleich legte er sein Veto gegen Contes Plan ein, das Management einem sechsköpfigen Expert*innenkomitee anzuvertrauen; auf diese Weise würden das Kabinett und die Koalition weitgehend ausgebremst, monierte er. Ebenso droht Renzi Tag für Tag an, die beiden Ministerinnen seiner Partei würden zurücktreten, gebe es keine Einigung.

Die seit September amtierende Mitte-links-Regierung steht damit vor ihrer größten Zerreißprobe seit ihrer Bildung im September 2019. Seinerzeit hatte der Chef der rechtspopulistischen Lega, Matteo Salvini, die erste Regierung Conte platzen lassen, die die Lega an der Seite der Anti-Establishment-Kraft Movimento5Stelle (M5S – 5-Sterne-Bewegung) sah. Salvini wollte schnelle Neuwahlen, um dann selbst Regierungschef zu werden.

Doch zu seiner Überraschung einigten sich die beiden Erzfeinde, das M5S und die gemäßigt linke Partito Democratico (PD), auf eine neue Koalition, in die auch die kleine radikal linke Liste Liberi e Uguali (LeU – Freie und Gleiche) eintrat. Vor allem Matteo Renzi, damals noch in der PD, hatte dieses neue, als reine Negativkoalition gegen die Lega auf die Welt gekommene Bündnis favorisiert.

Doch kaum stand die neue Regierung, spaltete Renzi die PD und gründete seinen eigenen Kleinverein Italia Viva, der jedoch in der Regierungskoalition verblieb, mit nunmehr vier Partnern. Dass die Regierung seitdem hält, lag nicht zuletzt daran, dass sie schnell mit dem Coronanotstand konfrontiert war – und dass die beiden großen Partner M5S und PD bei den Maßnahmen gegen die Pandemie und ihre sozialen Folgen weitgehend an einem Strang zogen. Vor allem Conte erlebte während der Pandemie einen deutlichen Popularitätszuwachs.

Wie im Sommer 2019 ist es erneut ein Matteo, nun Renzi statt Salvini, der an Contes Stuhl sägt

Renzi dagegen steht vor der Tatsache, dass seine Partei aus dem Umfragetief von 2 bis 3 Prozent nicht herauskommt. Seine Antwort ist deshalb jetzt, dass er Italia Viva mehr Profil im Bündnis verschaffen will, zur Not auch mit einem Koalitionsdauerkrach.

Deshalb hegt Conte den Verdacht, Renzi gehe es weniger um die inhaltlichen Punkte als darum, den Ministerpräsidenten auszuwechseln. Und wie schon im Sommer 2019 ist es erneut ein Matteo, diesmal Renzi statt Salvini, der an Contes Stuhl sägt. Als mögliche Lösung gilt ein Rücktritt Contes und dann sofort die Bildung einer Nachfolgeregierung mit denselben Partnern und demselben Regierungschef, aber einem runderneuerten Kabinett. Doch Conte traut dieser Lösung nicht, da er vermutet, Renzi könne dann die Forderung nach dem Wechsel an der Spitze der Regierung aus dem Hut zaubern. Sollte es nicht zu einer Einigung in letzter Minute kommen, drohen Neuwahlen, die jedoch für Renzis Partei das politische Aus bedeuten könnten.

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