Streit um Erdölbohrungen in Spanien: Tiefsee- gegen Touriträume

Die spanische Regierung will das Land mit eigenem Öl unabhängiger von Importen machen. Die Konsequenzen für den Tourismus hat sie nicht bedacht.

Auf Lanzarote hält man nicht viel von den geplanten Probebohrungen – auch weil das den gut zahlenden Urlaubsgästen nicht gefallen dürfte. Bild: dpa

MADRID taz | Angesichts der staatlichen Finanzkrise träumt Spaniens Industrieminister José Manuel Soria vom Ölreichtum. Er billigte im Schnellverfahren die Pläne des Ölkonzerns Repsol, vor den Kanarischen Inseln nach dem schwarzen Gold zu suchen. Doch die kanarische Regionalregierung und die Bewohner lehnen das ab. Sie fürchten die Verschmutzung der Gewässer und um ihren Ruf als Urlaubsparadies.

Es wäre „nicht verantwortungsbewusst“, auf die Erdölförderung zu verzichten, erklärt Minister Soria. Der Repsol-Konzern, der 60 Kilometer vor den Inseln Fuerteventura und Lanzarote bohren will, geht von Fördermengen aus, die 20 Jahre lang 10 Prozent des spanischen Bedarfs decken könnten. Spanien führt täglich 1,4 Millionen Barrel ein – 99,8 Prozent des Verbrauches. Bis zu 3.000 Meter tief soll gebort werden.

Soria schwärmt von zehntausenden von neuen Arbeitsplätzen, vom „Reichtum“ und „der Diversifizierung der Ökonomie“ der Inseln vor Afrikas Nordwestküste. Die Inselregierung und die Bürgermeister der großen Gemeinden – auch von der in Madrid regierenden konservativen Volkspartei (PP) von Ministerpräsident Mariano Rajoy – sehen das anders: 30 Prozent des kanarischen Bruttosozialprodukts stammt aus dem Tourismus.

90 Prozent im Tourismus tätig

Lanzarote und Fuerteventura leben gar zu über 50 Prozent vom Geschäft mit Strand und Sonne. 90 Prozent der arbeitenden Bevölkerung ist direkt oder indirekt im Tourismus tätig. 2011 kamen über 10 Millionen Urlauber, die meisten aus Deutschland und Großbritannien.

Das Inselparlament lehnte die Probebohrungen ab. Madrid habe diesen Beschluss einfach übergangen, beschwert sich Inselpräsident Paulino Rivero. „Man behandelt uns wie in früheren Zeiten so, als wären wir noch immer eine im Atlantik verlorene Kolonie“, wettert er.

Die Inselregierung befürchtet, dass Bohrungen in solch außergewöhnlichen Tiefen nicht sicher sind. Als Schreckensszenario dient der Unfall der Bohrinsel „Deepwater Horizon“ im Golf von Mexiko 2010. Dort lag es mit an der großen Tiefe, dass es Monate dauerte, bis die Bohrstelle geschlossen werden konnte.

2004 wurde Projekt für Probebohrungen gestoppt

Jetzt zieht die Regierung Riveros vor das Tribunal Supremo, Spaniens obersten Gerichtshof. Dieser hatte 2004 wegen Umweltbedenken schon einmal ein Projekt für Probebohrungen gestoppt. Ende März gingen auch zehntausende Insulaner auf die Straße. „Nein zu den Erdölgesellschaften.

Ja zu erneuerbaren Energien“, lautete eine Parole. Sorias Industrieministerium, das die Erdölförderung will, stoppte im Dezember den Ausbau von Wind- und Solarenergie, indem Einspeisevergütungen für Neuanlagen gestrichen wurden. Die Bohrungsgegner werden von großen Reiseveranstaltern unterstützt.

So warnt der Nachhaltigkeitsbeauftragte der deutschen TUI, Harald Zeiss: Eine Ölkatastrophe würde sich nicht nur negativ auf eine Saison auswirken, sondern „potenzielle Besucher würden die Kanaren immer mit Öl in Verbindung bringen“.

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