Streit um Fördergelder für linkes Projekt: Dumm gelaufen

Weil den Leiterinnen eines Flüchtlings-Theaterprojekts Antisemitismus vorgeworfen wird, hat der Träger seinen Antrag auf öffentliche Gelder zurückgezogen.

Al-Kuds-Demo 2015

Krude Mischung: Al-Kuds-Demo 2015 in Berlin Foto: dpa

100.000 Euro sind viel Geld für ein selbst organisiertes Flüchtlings-Theaterprojekt. So viel hätte der 2013 gegründete Refugee Club Impulse aus Moabit jetzt vom Senat erhalten können – doch der Träger, die Arbeiterwohlfahrt (AWO) Mitte, hat den entsprechenden Antrag bei der landeseigenen Kulturprojekte GmbH jetzt zurückgezogen. Der Grund: In den letzten Tagen wurde Kritik laut, dass sich zen­trale Figuren des Thea­ter­projekts an der jährlichen israelfeindlichen Demonstration zum Al-Quds-Tag beteiligen würden , auf der immer wieder auch antisemitische und rechtsextreme Parolen geäußert werden.

Konkret geht es um die beiden Schwestern Nadia und Mar­yam Grassmann. Im Refugee Club Impulse, der auch viel mit palästinensischen Jugendlichen arbeitet, haben sie die künstlerische und pädagogische Leitung inne. Außerdem sind sie die Töchter des Organisators der Al-Quds-Tag-Demonstration, Jürgen Grassmann. Es gibt Fotos, die belegen, dass beide Schwestern mehrmals selbst an den Demonstrationen teilgenommen haben. Dem American Jewish Committee zufolge, das die Vorwürfe zuerst erhoben hat, laufen sie dabei nicht nur mit, sondern unterstützen ihren Vater auch, etwa indem sie Spenden sammeln oder Flyer verteilen. Gegenüber der Berliner Zeitung hat Nadia Grassmann den Vorwurf zurückgewiesen, auf der Al-Quds-Demo eine aktive Rolle zu spielen, von Maryam Grassmann gibt es bisher keine Stellungnahme.

Einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurden die Vorwürfe zuerst im März: Im Zusammenhang mit der umstrittenen Teilnahme israelfeindlicher Initiativen an dem vom Refugee Club Impulse initiierten „Karneval der Geflüchteten“ wurde auch Kritik an den Grassmann-Schwestern laut. Das Bündnis „My Right Is Your Right“, das den Karneval gemeinsam mit Impulse veranstaltete, setzt sich nach eigenen Angaben derzeit noch intern mit den Vorwürfen auseinander. „Mit den Organisationen, von denen diese Vorwürfe kommen, stehen wir im Dialog“, sagt Xenia Sircar, Sprecherin des Maxim Gorki Theaters, das neben antirassistischen Gruppen und verschiedenen Theatern Teil des Bündnisses ist.

Seit der Diskussion über den Karneval laufe auch bei der AWO Mitte eine interne Prüfung der Vorwürfe, sagt der Vorsitzende Manfred Nowak. „Bisher hat sich noch nicht klären lassen, ob arbeitsrechtliche Verstöße vorliegen. Deswegen haben wir uns entschieden, den Antrag zunächst zurückzustellen.“

Nowak lässt aber auch durchblicken, dass man bisher mit dem Projekt und wohl auch der Arbeit der Grassmann-Schwestern sehr zufrieden war. Tatsächlich hat der Refugee Club Impulse einen guten Ruf – als Kunstkollektiv, in dem sich Flüchtlinge und hier Geborene auf Augenhöhe begegnen, gemeinsam Produktionen erarbeiten und durch Gastspiele bei diversen etablierten Thea­terfestivals wesentlich zu einer Repräsentation von Flüchtlingen in der Theaterszene beitragen. Ob sich die Tatsache, dass die Grassmann-Schwestern in die Demos zum Al-Quds-Tag involviert sind, auch in dem Projekt selbst niederschlägt, ist nicht bekannt. Allerdings wurde auch einem weiteren Mitarbeiter des Projekts, dem Kursleiter Ahmed Shah, in der Vergangenheit Antisemitismus vorgeworfen.

In einer ersten Stellungnahme schreibt der Refugee Club Impulse am Mittwoch, die Mitglieder seien „überrascht und geschockt“, dass ihr Projekt „als antisemitisch gelabelt“ werde. Auch Nadia und Maryam Grassmann hätten sich bereits „explizit von jeglicher Verbindung zu Antisemitismus und Gewaltverherrlichung“ distanziert.

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