Streit um Gewerkschafterin an Uniklinik: Eine unliebsame Mitarbeiterin

Die Homburger Klinik will eine Personalrätin loswerden, die für bessere Arbeitsbedingungen kämpft. Im Landtag mag man darüber nicht reden.

Charlotte Mattheis hält ein Schild in die Höhe

Charlotte Mattheis bei einer Beschäftigung, die ihr Arbeitgeber nicht gern sieht Foto: Verdi

SAARBRÜCKEN taz | Charlotte Matheis ist eine streitbare Gewerkschafterin. Die 61-Jährige erlebt in ihrem Alltag, was andere als Pflegenotstand diskutieren. Seit Jahrzehnten arbeitet sie im Schichtdienst, zuletzt als Anästhesiefachkraft in der Homburger Uniklinik (UKS). Seit Monaten steht sie als Personalrätin zudem in der ersten Reihe im Kampf ihrer Gewerkschaft für einen „Tarifvertrag Entlastung in der Pflege“. Mit Demonstrationen, Mahnwachen und Ultimaten ist es Verdi im Saarland gelungen, den Pflegenotstand auf die Tagesordnung der Landespolitik zu setzen.

Für Charlotte Matheis geht es allerdings inzwischen nicht mehr allein um die große Politik, sondern auch um ihre persönliche Existenz. Ihre Klinik­leitung hat beschlossen, sie „außerordentlich und fristlos“ zu kündigen. Der Personalrat hat seine Zustimmung verweigert, deshalb ist die Kündigung nicht rechtskräftig. Die Klinikleitung hat jetzt das Verwaltungsgericht eingeschaltet. „Es wird versucht, uns den Kopf abzuschlagen“, kommentiert Verdi-Sekretär Michael Quetting. Er ist entschlossen, den Streit bis in die letzte Instanz durchzufechten.

Die Klinik hält sich mit Einzelheiten bedeckt. Auch die Personalratsvorsitzende will sich zunächst lieber nicht äußern, die Betroffene schon gar nicht. Die Sache ist heikel. So viel ist zu erfahren: Die Kollegin Matheis, mit einem Viertel ihrer Stelle für den Personalrat freigestellt, ist zu Arbeitsschichten nicht erschienen. Sie hatte das jeweils angekündigt und mit ihren Aufgaben als Personalrätin begründet. Die Klinik wirft ihr die Verletzung ihrer Dienstpflichten vor, die Betroffene fühlt sich in ihrer Personalratsarbeit behindert. Gerichte werden diesen Fall entscheiden müssen.

Der für den Bezirk Trier-Saar zuständige Verdi-Sekretär Quetting steht an der Spitze der bundesweiten Offensive gegen den Pflegenotstand. Bereits vor vier Jahren hatte er angekündigt, „Widerstandsnester“ in den Kliniken aufzubauen. „Wir appellieren an die Personalvertretungen, den Dienstplänen, die sie ausbeuten, nicht mehr zuzustimmen“, sagte Quetting damals. Früher sei üblich gewesen, die vorgelegten Entwürfe in der Regel abzuhaken. Längst sei es wegen des Personalmangels zur Regel geworden, vorgeschriebene Pausen und Ruhezeiten nicht einzuhalten.

Klinikleitung unter Druck

Wie andere Personalräte auch habe sich Charlotte Matheis bei diesem Thema Kompetenzen erarbeitet, für die Klinik offenbar eine eher lästige Qualifikation. Ohnehin haben Aktionen der Verdi-Betriebsgruppe die Klinik­leitung wiederholt unter Druck gesetzt. Mehrfach hat sie Zugeständnisse machen müssen, die Geld kosten. „Wir haben unsere Erfolge vor allem mit Ultimaten erzielt“, sagt Quetting; „sicher ist das eine Form von Erpressung, das ist aber nötig, damit sich etwas bewegt“, erklärt er der taz.

Das vorerst letzte Ultimatum, das der „Wilden 7“, hat sogar bundesweit Schlagzeilen gemacht. Die MitarbeiterInnen der Krebsstation 7 der UKS hatten angedroht, vom 1. Februar an nach Vorschrift zu arbeiten, wenn nicht zusätzliches Fachpersonal eingestellt werden sollte: „Es wird von uns niemand mehr aus der Freizeit in den Dienst kommen, niemand mehr gegen das Arbeitszeitgesetz verstoßen, niemand mehr ärztliche Tätigkeiten wie etwa die Verabreichung von Blut und Blutprodukten durchführen, niemand mehr ohne schriftliche ärztliche Anordnung handeln“, so das „Drehbuch“ der Beschäftigten.

Die Klinikleitung hat jetzt in letzter Minute nachgegeben, wie schon bei anderen Ultimaten zuvor. Für die Station 7 werden drei zusätzliche Fachkräfte eingestellt. Verdi hat die für das Wochenende geplanten „Mahnwachen“ abgesagt. „Es ist doch bezeichnend, dass man nur mit der Einhaltung der Vorschriften drohen muss, weil jeder weiß, dass dann der Betrieb zusammenbricht“, sagt Quetting.

Michael Quetting, Verdi-Sekretär

„Es ist doch bezeichnend, dass man nur mit der Einhaltung der Vorschriften drohen muss, weil jeder weiß, dass dann der Betrieb zusammenbricht“

Die Gewerkschaft will den Druck auf Krankenhausträger und Politik weiter erhöhen, im Saarland und bundesweit. „In dieser Woche streiken die Kolleginnen in Baden-Württemberg“, sagt Quetting. An der Saar hat die Gewerkschaft die Tarifverhandlungen mit den Arbeitgebern für „gescheitert“ erklärt. Auch hier stehen die Zeichen auf Streik. Natürlich kennen auch die MitarbeiterInnen und ihre Gewerkschaften die Nöte der Klinikleitungen. Sie sollen wirtschaftlich arbeiten, schreiben aber rote Zahlen.

Die Pflege werde sogar mit Geld quersubventioniert, das eigentlich zweckgebunden für Investitionen vorgesehen sei, räumt Quetting am Mittwoch im Saarländischen Landtag ein. Die Probleme hätten sich dramatisch verschärft, seit sich die Kliniken aus den Fallpauschalen finanzieren müssten, so der Gewerkschafter.

Neues Krankenhausgesetz in Planung

Quetting ist zu einer Anhörung in den Sozialausschuss eingeladen. Mit einem neuen Krankenhausgesetz wollen die Landtagsparteien für eine bessere Versorgung der Patienten sorgen. Sie würden dabei wohl auch gern Mindestzahlen für die Versorgung der Stationen mit Pflegekräfte vorgeben.

Doch das zusätzliche Personal muss finanziert werden. Die Regeln für die Abrechnung der Krankenhauskosten legt allein der Bund fest. Die Landespolitiker an der Saar sehen es immerhin als Fortschritt, dass dieses Thema Eingang in das Sondierungspapier von CDU/CSU und SPD gefunden hat. Jetzt sei der Bund am Zug, heißt es in Saarbrücken.

Auf die Kündigung der engagierten Personalrätin Matheis durch die landeseigene Uniklinik angesprochen, will sich am Rande der Ausschussanhörung niemand äußern, nicht einmal die Abgeordneten der Landtagsopposition.

Der Ausschussvorsitzende Magnus Jung, SPD, sagt der taz schließlich: „Ich bin unglücklich, dass der Konflikt bis zu diesem Punkt eskaliert ist“, und fügt hinzu: „Ich hoffe, dass sich die Beteiligten noch einigen.“

Danach sieht es allerdings nicht aus.

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