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Streit um Magazin des KulturministersWeimer, der Vampir

Jannik Grimmbacher

Kommentar von

Jannik Grimmbacher

Eine rechte Kampagne beschuldigt Wolfram Weimer des Textklaus. Ist das ein Bruch zwischen dem Kulturstaatsminister und denjenigen, für die er sonst Politik macht?

Weimers Nachttisch? Sein Magazin soll Texte von Dritten veröffentlicht haben Foto: Dona/plainpicture

W ährend im Louvre Napoleons Brillanten geklaut wurden, debattiert man in Deutschland über einen vermeintlichen Raub, der etwas trockener daherkommt. Das Magazin The European soll jahrelang Reden und öffentliche Texte prominenter Personen ohne deren Einverständnis veröffentlicht haben. Dabei kann es zumindest in der Online-Version der Texte zu dem Eindruck kommen, die jeweilige Person sei Au­to­r*in des Blatts. Ein Blick auf die Website verrät jedoch: Durch Titel und Untertitel wird bei den meisten noch zugänglichen Artikeln der Kontext klargestellt.

Alles halb so wild könnte man also meinen. Aber dass der Fall jetzt skandalisiert wird, zeigt einen Bruch zwischen Weimer und jenen Kräften, die er sonst zu beschwichtigen bemüht ist.

Das selbsternannte Debattenmagazin gehört zur Weimer Media Group, das von Kulturstaatsminister Wolfram Weimer mitgegründet wurde. Gegen Weimer wurden bereits im Mai Vorwürfe erhoben, er habe in seinen Büchern Zitate nicht gekennzeichnet. The European weist die aktuelle Kritik in einem Statement auf der Website zurück und spricht von „dokumentarischen Texten“.

Von betroffener Seite wird nun der Druck auf Weimer erhöht – jedoch nicht etwa von Brad Pitt, Annalena Baerbock oder Friedrich Merz, die alle als Autoren gelistet sind, sondern von Alice Weidel. Von der AfD-Politikerin sollen über hundert Reden und Artikel veröffentlicht worden sein.

Weidel ließ bekannt geben, sie prüfe rechtliche Schritte. Ihr Sprecher spricht gegenüber t-online von einem „unredlichen Vorgehen“: „Weder war Frau Weidel als Autorin für ‚The European‘ aktiv, noch wurde sie um Erlaubnis gefragt, sie als Autorin mit den entsprechenden Texten auf der Plattform zu veröffentlichen.“

Warum gerade jetzt?

Aufgeworfen wurde der Fall vom AfD-nahen Blogger Alexander Wallasch. Aus seinem Eintrag geht hervor, dass er als ehemaliger Autor für The European die Anschuldigung schon länger in der Hinterhand hatte. Warum also entschied er sich ausgerechnet jetzt für eine Veröffentlichung?

Als Weimer in sein Amt berufen wurde, war bereits klar, welche Rolle er in der erweiterten Regierung einnehmen sollte. Weimer, der in seinem Buch „Das konservative Manifest“ offen über Kulturkreise und den Gegensatz zwischen „Westen“ und „Orient“ schwadroniert, sollte ein Vermittler und anknüpfungsfähig rechts der CDU sein.

Und angeknüpft hat er. Rechte Kräfte bekamen von Weimer eigentlich alles, was sie sich von einem Kulturstaatsminister einer Regierung ohne AfD-Beteiligung erhoffen konnten: Für Genderverbot, öffentliches Sinnieren über die Hufeisen-Theorie und die Bezeichnung der GEZ-Gebühren als Zwangsabgabe musste sie nicht mal einen Finger krümmen. Dazu zeigte die Absage eines Konzerts des Rappers Chefket aufgrund eines konstruierten Antisemitismusvorwurfs, den das Medienportal Nius erhob, wie leicht sich Weimer mit seinem Gerede von Meinungsfreiheit wegduckt, wenn rechte Medien ihre Zähne zeigen.

Wunderlampe Weimer kaputt?

Keine zwei Wochen darauf sahen sie bei Nius wieder die Gelegenheit: Im Vorfeld der Verleihung des Deutschen Verlagspreises warnte das Portal, der Kulturstaatsminister vergebe dort „zehntausende Euro Steuergelder an radikal linke Buchverlage“. Diesmal aber vergebens. Weimer ließ verlautbaren, es gebe „keine Verdachtsmomente“, und bekannte sich auf der Preisverleihung vergangenen Mittwoch zu einer breiten Debattenkultur.

Wie konnte das sein? Wunderlampe Weimer verwehrte doch sonst keinen Wunsch. Gut möglich, dass er also in diesem Moment beim sogenannten rechten Vorfeld in Ungnade gefallen ist. Hinzu kam, dass Weimer in seiner Eröffnungsrede zur Buchmesse die Macht US-amerikanischer und chinesischer KI-Konzerne und deren Ideendiebstahl als „geistigen Vampirismus“ kritisierte. Damit zog er den Groll des US-Beraters und Trump-Vertrauten Richard Grenell auf sich. Er bezeichnete Weimers Rede auf X als „massive Attacke auf die gesamte US-Digitalindustrie, mit dem Ziel, sie in Europa zu zerschlagen“.

Gut möglich also, dass die rechte Szene die Zügel nun wieder etwas straffen wollte. Blogger Wallasch stellte seine Veröffentlichung auch direkt in den Kontext der Rede und drehte Weimers Vorwurf um: Dieser sei selbst ein „Vampir im Kulturminister-Gewand“, da er sich die Reden Prominenter ohne Einverständnis ins Blatt hole.

Doch letztlich saugen alle irgendwie irgendwo: die KI-Unternehmen am Geist freier Kunst und Kultur, die Rechten an der Demokratie und Weimer an den Rechten – allerdings sind hier weniger „gestohlene“ Texte das Problem, sondern ideologische Kleptomanie: Was als kulturpolitische Brückenarbeit verkauft wird, ist in Wahrheit kalter Ideenklau von jenen, die spalten. Er übernimmt Vokabular, Empörungslogik und Feindbilder der Rechten, glättet sie sprachlich und verleiht ihnen staatliche Legitimität. Das wiegt schwerer als jeder Zitierfehler.

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Jannik Grimmbacher
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Schaut am liebsten dort hin, wo Politik auf Gesellschaft trifft: Klimawandel, globale & soziale Gerechtigkeit
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4 Kommentare

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  • .....Er übernimmt Vokabular, Empörungslogik und Feindbilder der Rechten, glättet sie sprachlich und verleiht ihnen staatliche Legitimität. Das wiegt schwerer als jeder Zitierfehler....

    Dem schließe ich mich an!!

  • Blaun wieder mal stabil mit Sophistereien abseits des zentralen Themas, also derailend am Start.

    Seit wann gelten öffentlich gehaltene politische Reden denn konkret als "schutzwürdiges Eigentum"? Seitdem der Karnevalsverein Blaubraun Germania 2015 beschlossen hat?

  • Meine Güte! So, muss man sich das wohl vorstellen, wenn jemand ein echtes Feindbild hat. Mehr ist dem Kommentar aber auch nicht zu entnehmen.



    Mir jedenfalls ist ein Kulturstaatsminister Weimer, der nicht sehenden Auges in Kauf nehmen möchte, dass ausgerechnet an einem 7. Oktober ein Musiker auftritt, der zuvor mit einem T-Shirt herumgelaufen ist, auf dem Israel bereits ausgelöscht ist, deutlich lieber als seine unselige Vorgängerin, die sich erst nach der gründlich missratenen documenta völlig verwundert fragt, wie das alles passieren konnte.



    Im Übrigen: Wenn man schon die Politisierung des Amtes durch Weimar beklagt: Angefangen damit hat Claudia Roth, die ihr Amt dezidiert politisch verstand. Das aber hat, so weit ich mich erinnere, weitgehend den Beifall der taz gefunden.

  • "die Bezeichnung der GEZ-Gebühren als Zwangsabgabe musste sie nicht mal einen Finger krümmen. "

    Diese Bezeichnung ist eine vollkommen korrekte Beschreibung der Rundfunktgebuehr. 2 Beispiele von vielen aus einem Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats ausm Finanzministerium von 2014 [1]:



    Seite 11: "Zum Januar 2013 wurde das bisherige



    Gebührenmodell, das die Zahlungsverpflichtungen der Bürger an den Besitz von Empfangsgeräten knüpfte, durch ein Modell der Zwangsabgaben, des sog. Haushaltsbeitrags ersetzt."



    Seite 12: "Daneben gibt es das verfassungsrechtlich wiederholt gestärkte und durch Zwangsabgaben finanzierte System des öffentlichen Rundfunks mit seinem eigenen Aufsichts- und Finanzierungssystem."

    Der Begriff Zwangsabgabe ist so rechts* wie der Begriff GEZ-Gebuehr deadnaming und transphob ist.

    [1] www.bundesfinanzmi...ublicationFile&v=1