Streit um Mensa-Resteessen: Vom Band in den Mund

„Bändern“ ist Containern in der Uni-Mensa. In Freiburg wurde untersagt, sich übriggebliebenes Essen direkt vom Rückgabeband zu nehmen.

Grüne Erbsen und Weintrauben auf einem Mensa-Tablett

Sieht doch noch lecker und frisch aus! Foto: dpa

Große Metallplatten bedecken seit zwei Tagen die Rückgabebänder in der Freiburger Unimensa. Noch vor einer Woche passten da gut fünf Tablette nebeneinander drauf, jetzt flutschen die oft noch gut gefüllten Teller sofort in den großen Schlund: Das SWFR (Studierendenwerk Freiburg) hat das Ruder – oder vielmehr die Essensreste – an sich gerissen und das „Bändern“ verboten.

„Bändern“: So heißt die beliebte Praxis, die Essensreste anderer Kommilitonen zu verzehren. Und das machen auch im wohlhabenden Freiburg nicht nur Studierende, auch Rentner sitzen da und schnappen sich halb volle Teller vom Band.

„Bänderer“ und SWFR ziehen sich schon lange gegenseitig an den Haaren. Die einen werfen pauschal Worte wie „Lebensmittelverschwendung“ und „Wegwerfgesellschaft“ in den Raum. Gekontert wird ebenso pauschal mit „Hygienevorschriften“ und „juristischer Verantwortung“.

Vor einem halben Jahr war die Maßnahme des Studierendenwerks noch, große, blaue Plastiktrennwände zwischen Band und Mensatische zu stellen, sodass man aus dem taktisch sicheren Rückraum nicht mehr an die Reste herankam. Nur konnte man die Trennwände einfach beiseiteschieben.

„Die Mauer muss weg“

Schnell wurden sie mit Zettelchen geschmückt: „Die Mauer muss weg!“ und „Aus Sicherheitsgründen wird dieses Band videoüberwacht“.

Jetzt soll das Band gar radikal zurückgebaut werden. Ein schriftliches Statement des SWFR dazu gibt es noch nicht. Klar, die Entscheidung ist auch nicht gerade populär. Worum geht es dabei eigentlich? In erster Linie ums Geld? Um das Befinden Einzelner, die sich ein bisschen ekeln?

Natürlich geht’s viel ums Geld. Schließlich fehlen nach jedem satt gewordenen Bänderer der Freiburger Volkswirtschaft die äquivalenten 2 Euro Einnahmen. Und da in den letzten Jahren das Resteessen zu einem veritablen Trend gewachsen ist, übersteigen die Summen, die da auflaufen, offensichtlich das von der Mensaverwaltung zu tolerierende Maß.

So richtig übers Geld sprechen will aber niemand. Das Problem wird lieber auf die Ebene der Gesundheitsvorschriften verschoben, obwohl es kürzlich vonseiten der Geschäftsführung des SWFR in einem Radiointerview noch hieß: „Unsere Verantwortung endet mit dem produzierten Essen.“ Grund für das Verbot ist aber nun laut dpa ebendiese Verantwortung bei mangelnder Hygiene. Und Renate Heyberger, stellvertretende Geschäftsführerin des SWFR, sagt: „Die Essensreste sind hygienisch bedenklich. Wenn etwas passiert, haftet der Geschäftsführer.“

Natürlich geht’s auch ums Geld. Schließlich fehlen nach jedem satt gewordenen Bänderer der Freiburger Volkswirtschaft die äquivalenten 2 Euro Einnahmen

Und warum sollte man denn auch freiwillig eine Infektion mit Bakterien fremder Leute in Kauf nehmen? Auch wenn mein Gang mich als „Bänderin“ zunächst zu den Fächern mit frischem Besteck führt, damit ich nicht die benutzte Gabel nehmen muss. Sollte der Rest nicht meine Entscheidung sein? „Passiert“ ist nämlich noch nichts. „Gesundheitsrisiken liegen in der Verantwortung der Bänderer“, findet auch das deutsche Beratungszentrum für Hygiene. Und die meisten Studierenden haben nichts dagegen, bieten sogar regelmäßig ihre halb vollen Teller zum Aufessen an.

Auch der Gegenseite geht es ums Geld. Wenn man pro Tag 2,50 Euro spart, freut sich der Geldbeutel. Auch für Gelegenheitsbänderer wie mich ein wichtiger Grund, logisch. Außerdem kann man mal von allem probieren, muss sich nicht auf den Linsen-Tomaten-Eintopf mit Lollo-Rosso-Salat beschränken. Vor allem aber kann man aktiv verhindern, dass ein halbes Schnitzel in der Mülltonne verschwindet, und wird dabei satt. Und auch wenn das ein bisschen nach Pseudogutmenschentum riecht, ist es vielen unheimlich wichtig.

Die konkrete Bedrohung ist unklar: Obwohl mittlerweile zu den Hochzeiten durchaus mehrere Tische von Reste essenden Studierenden besetzt sind, muss man sich auch die Frage nach der gesellschaftlichen Relevanz des „Problems“ stellen. Bei 4.000 verkauften Essen pro Tag bilden die konsumkritischen Studierenden ungefähr 1 Prozent der MensagängerInnen. Kann eine offene Gesellschaft diese Menge nicht dulden? Das generelle Verbot zeitigt bisher jedenfalls noch keine allheilende Wirkung, denn das Bändern geht weiter. Denn auch morgen soll doch schließlich die Sonne wieder scheinen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.