Streit um Solidarität im Profifußball: Liga der Gerechten

Die Idee: Wer sich nicht an die 50+1-Regel hält, kriegt kein Fernsehgeld. Etliche Klubs sehen darin das Ende der Solidargemeinschaft. Gab es die?

Leipzigs Davie Selke bejubelt ein Tor mit ausgestreckten Armen

Voll solidarisch: Dank der Brausemillionen aus Österreich kann sich RB Leipzig Spieler wie Davie Selke leisten Foto: dpa

Da haben wir ja wieder etwas gelernt. Die Fußball-Bundesliga ist also eine Solidargemeinschaft. Wie schön! Es gibt in dieser harten Welt, in der sich kaum noch jemand findet, der es wagen würde, etwa die Europäische Union als Solidargemeinschaft zu bezeichnen, also doch noch Zusammenschlüsse von Organisationen, die zum Wohle aller Mitglieder an gemeinsamen Zielen arbeiten. Ja, dafür lieben wir die Bundesliga, diese Spielklasse, die wie keine zweite in Europa für Ausgeglichenheit und absolute Chancengleichheit steht.

Doch es gibt Klubs, die die Solidargemeinschaft in Gefahr sehen. Sie zeigen mit dem Finger auf den FC St. Pauli. Der hat doch tatsächlich vorgeschlagen, die Klubs von der Verteilung der Fernsehgelder auszuschließen, die von einer Regel befreit sind, die für viele Fußballanhänger heilig ist: die 50+1-Regel.

Sie soll sicherstellen, dass die guten alten Fußballklubs, die eingetragenen Vereine, immer mehr als 50 Prozent der Anteile an den Firmen halten, bei denen die Profis angestellt sind, die in den ersten beiden Ligen in Deutschland spielen. Damit soll verhindert werden, dass seelenlose Investoren die Klubs, die längst Kapitalgesellschaften sind, kaufen und verkaufen könnten, wie es ihnen gerade beliebt.

Und schon immer haben die Fußballromantiker aus den Klubs, die als Traditionsvereine bezeichnet werden, mit dem kurvenüblichen Hass auf die Kapitalgesellschaften geschaut, die von der 50+1-Regel befreit sind, weil ihre Eigner schon lange und viel für den Klub getan haben. Es sind dies der VW Wolfsburg, Bayer Leverkusen und Hopp Hoffenheim. 2017 kommt dann auch noch Hörgeräte Hannover dazu.

Es wird so getan, als hätte die zentrale Vermarktung der Fernsehrechte, bei der in dieser Saison der FC Bayern doppelt so viel einstreicht wie der SV Darmstadt, tatsächlich einen sozialen Charakter

Bei St. Pauli, dem inoffiziellen deutschen Meister in der Vermarktung der David-gegen-Goliath-Rolle, findet man das ungerecht und will diese Klubs von der Verteilung der Millionen aus dem Verkauf der Übertragungsrechte für die Liga ausschließen. Und prompt sieht sich der Hamburger Klub dem Vorwurf ausgesetzt, das Solidarprinzip der Liga in Frage zu stellen. Dabei wird so getan, als hätte die zentrale Vermarktung der Liga für das Fernsehen, bei der in dieser Saison der FC Bayern das Doppelte der Summe einstreicht, die dem SV Darmstadt 98 zusteht (40 Millionen Euro zu 20 Millionen Euro), tatsächlich einen sozialen Charakter.

Den hat indes die 50+1-Regel auch nicht, wenn man das beim FC St. Pauli auch glauben mag. Es ist ja nun wahrlich nicht so, dass durch diese Regel Investoren davon abgehalten würden, Einfluss auf Entscheidungen in den Klubs zu nehmen. Beim TSV 1860 München tut man sich überaus schwer damit, Entscheidungen durchzusetzen, mit der man den jordanischen Investor Hasan Ismaik verärgern könnte.

Regelrecht pervertiert wird die gewiss gut gemeinte 50+1-Regel bei Red Bull Leipzig. Der Trägerverein besteht aus ein paar handverlesenen Mitgliedern, deren Rolle es ist, abzunicken, was in der Zentrale eines österreichischen Brauseherstellers entschieden wird. Bei den Summen, mit denen der Klub sich den Aufstieg in die erste Liga kauft, kann kein anderer Klub mithalten. Als solidarisch wird das Gebaren der Leipziger gewiss niemand bezeichnen.

Kann es sein, dass es die gerechte Liga doch nicht gibt?

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