Streit um Stromtrassen: Es ist Presse im Saal

Tausende Kilometer neue Stromleitungen müssen in Deutschland gebaut werden. Die Netzbetreiber ignorieren Einwände - wegen politischer Vorgaben.

Wie kommt der Strom von hier zum Verbraucher? Bild: imago

BERLIN taz | Fünf Stunden dauert es, bis Elmer Große Ruse die Geduld verliert. "Mir ist es grad egal, was im Gesetz steht", platzt es aus dem Naturschützer des Nabu hervor. "Wir wollen Antworten auf unsere Fragen." "Wir" - das sind Vertreter von Umweltschutzverbänden und Bürgerinitiativen, die am Dienstag in der Berliner Auferstehungskirche der Einladung der vier großen deutschen Stromnetzbetreiber gefolgt waren. Die Firmen wollten der Öffentlichkeit erklären, wie sie den Bedarf neuen Stromautobahnen errechnen.

Bis zum Juni müssen die Unternehmen der Bundesregierung in einem Netzentwicklungsplan darlegen, wo die Leitungen in den nächsten Jahren nicht ausreichen werden, um immer mehr Windstrom von Nord nach Süd zu transportieren. Es wird um tausende von Strommasten gehen.

Die Veranstaltung am Dienstag sollte Verständnis wecken und Bürgerprotesten vorbeugen. Doch für viele Naturschützer sind es eher die Netzbetreiber, die nicht verstehen wollen. Große Ruse hatte einen Vorschlag gemacht, wie Leitungen eingespart werden können: Könnte das Netz schlanker ausfallen, wenn es nicht noch die letzte Kilowattstunde Windstrom aufnehmen müsste?

Nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz müssten die Netzbetreiber genau das sicherstellen, verteidigt sich Olivier Feix, Sprecher der ostdeutschen Netzfirma 50Hertz. Die Unternehmen sehen sich an politische Vorgaben gebunden. "Das ist eine Debatte, die die Gesellschaft führen muss", versucht Feix die Verantwortung weiterzureichen.

Bemühte Öffentlichkeitsarbeit der Netzbetreiber

Das Verhältnis der Unternehmen zur Öffentlichkeit wird deutlich, als Feix die Referenten im Publikum warnt: "Es ist Presse im Saal." Film- und Tonaufnahmen verbietet der 50Hertz-Sprecher: "Es soll niemand das Gefühl haben, politisch korrekt reden zu müssen." Was viele Teilnehmer ärgert, ist die Weigerung der Unternehmen, ihre Vorschläge wenigstens durchzurechnen.

Die Netzbetreiber bemühen sich durchaus. Ingenieure zeigen Diagramme mit roten Hügeln in Norddeutschland, die große Mengen an Windstrom symbolisieren, die abtransportiert werden müssen. Ein Ingenieur der Uni Aachen erklärt, warum die Brennstoffpreise für Kraftwerke in Süddeutschland höher sind und auch Kohlekraftwerke deshalb lieber im Norden gebaut werden. Die Techniker versuchen zu zeigen, warum es nicht ausreicht, an bestehende Strommasten einfach leistungsfähigere Seile zu hängen.

Die Umweltverbände erkennen das Bemühen durchaus an. "Vor einem Jahr war solche eine Veranstaltung noch nicht vorstellbar", sagt Duveau. Peter Ahmels von der deutschen Umwelthilfe sieht die Politik gefordert. Wenn die Bedingungen für Kraftwerke in Norddeutschland günstiger seien, müsse die Bundesregierung eben Anreize dafür setzen, im Süden zu bauen.

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