Streit um Stuttgart 21: Attacke gegen den Schlichter

Heiner Geißlers Kompromissvorschlag, einen Mix aus Kopf- und Tiefbahnhof zu bauen, verfehlt seinen Zweck. Die SPD wird persönlich, die Grünen zeigen sich wohlwollend.

Plötzlich in der Kritik: Heiner Geißler. Bild: dapd

BERLIN taz | Hinter den Kulissen in der baden-württembergischen Landesregierung munitionieren sich die grün-roten Koalitionäre im Streit um das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21. Nur einer preschte am Freitag öffentlich vor: der SPD-Landesvorsitzende und Superminister Nils Schmid.

Den Vorschlag von Schlichter Heiner Geißler (CDU) – eine Kombilösung aus Kopfbahnhof und Tiefbahnhof – bezeichnete Schmid gegenüber der Süddeutschen Zeitung als "kompletten Bruch mit der Schlichtungslogik" und als "unausgegorene Planvariante". Zudem griff er Geißler persönlich an, nannte seine Mediation eine "Notgeburt ohne Vorbildcharakter".

Interessant ist, was Schmid nicht sagte: Mit keinem Wort erwähnte er seinen Koalitionspartner, die Grünen. Die sind gegen Stuttgart 21, während die SPD bis auf Abweichler an der Basis dafür ist. Hinter den Kulissen gärt es jedoch: Aus dem vom S21-Gegner Winfried Hermann (Grüne) geführten Verkehrsministerium drangen am Freitag erste wohlwollende Kostenschätzungen zu Geißlers Vorschlag nach außen. Zudem kursiert ein weiteres Papier. Es verweist darauf, dass die Geißler-Variante ein alter, verworfener Vorschlag sei.

verkehrlich, finanziell, planungsrechtlich

Das ist Munition für die Befürworter des Tiefbahnhofes, denn die sind gegen den Kompromissansatz. Dieser sieht vor, den Kopfbahnhof in kleinerer Variante zu erhalten und durch einen viergleisigen unterirdischen Durchgangsbahnhof zu ergänzen. Stuttgarts Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU) urteilte: "Weder aus verkehrlicher, noch aus finanzieller und planungsrechtlicher Hinsicht bringt dieser Vorschlag im Vergleich mit Stuttgart 21 einen Vorteil für die Stadt."

Ähnlich sieht es Gerhard Heimerl, der Stuttgart 21 und weitere Varianten in den 1990er Jahren entwickelt hat. "Das ist im Prinzip der gleiche Vorschlag wie meiner von 1988. Die Kombi-Variante wurde, wie mehrere andere Alternativvorschläge, später nach Kosten und Nutzen analysiert und verworfen", sagte Heimerl der taz. Zudem verweist er darauf, dass bei einem Kombibahnhof oberirdisch weniger Flächen frei würden und verkauft werden könnten. Dadurch würden, so schätzt er, 700 Millionen Euro fehlen. Das träfe vor allem die Bahn AG. Denn die hat die Flächen bereits an die Stadt Stuttgart veräußert und müsste sie in der Kombi-Variante zurückkaufen. Da ist es kein Wunder, dass das Unternehmen strikt gegen Geißlers Vorschlag ist.

Die alten Gräben

Damit verlaufen die Gräben in der alten Konstellation. Einzig Grüne und Projektgegner stehen dem Vorschlag des Schlichter positiv gegenüber. Sie fordern eigentlich den kompletten Erhalt des Kopfbahnhofes. "Auch Nils Schmid sollte den Vorschlag von Herrn Geißler erstmal ordentlich prüfen", sagte Brigitte Dahlbender, Sprecherin des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21, der taz. Sie sieht in der Variante vor allem Vorteile für den Nahverkehr. Einer der zentralen Forderungen des Bündnisses war stets, den Stuttgart Schlossgarten komplett zu erhalten. Dahlbender hofft nun, das dies mit einem kleineren Tiefbahnhof möglich wäre.

Noch will sich das Bündnis zwei Wochen Zeit nehmen für eine endgültige Bewertung. Sein Verkehrsberater Felix Berschin hält es für "anmaßend", den Vorschlag einfach zu verwerfen.

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