Werbeplakat Gebäude am Hermannplatz und eine Frau mit Hut

Historisches Werbeplakat für Karstadt am Hermannplatz Foto: AKG images

Streit um Wiederaufbau von Karstadt:Der alte Glanz vom Hermannplatz​

In Berlin soll zwischen Kreuzberg und Neukölln das alte Karstadt-Gebäude rekonstruiert werden. Anwohner protestieren: Sie fürchten soziale Folgen.

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6.6.2020, 15:10  Uhr

Möchten Sie gegen den Abriss von Karstadt unterschreiben?“ Auf dem Gehweg zwischen der Schaufensterfassade des Kaufhauses am Hermannplatz und einer Kartoffelpufferbude haben Niloufar Tajeri und ihre Mitstreiter*innen von der Initiative Hermannplatz ihren Infostand aufgebaut. Jeden Donnerstagnachmittag stehen sie hier und sammeln Unterschriften gegen die Pläne des österreichischen Immobilienkonzern ­Signa.

Einige Passant*innen winken ab, doch ein älterer Mann mit Pferdeschwanz hat Interesse. Die Aktivist*innen brauchen keine Überzeugungsarbeit zu leisten, der Mann greift direkt nach dem Stift. „So ein Schwachsinn“, kommentiert er mit kratziger Stimme die Pläne des Investors, während er die Liste unterschreibt.

Ginge es nach dem österreichischen Milliardär René Benko und der von ihm gegründeten Signa-Group, würde das alte Karstadt-Gebäude hier an der Grenze zwischen Kreuzberg und Neukölln komplett abgerissen. Das funktionale Gebäude mit der Front aus Glas und grauem Beton soll einer Replik des historischen Art-déco-Monumentalbaus aus den 20er Jahren weichen. Berichten zufolge will Signa 450 Millionen Euro für den Neubau investieren.

Die Karstadt-Filiale soll erhalten, aber nicht vergrößert werden. Für die erweiterte Fläche, die mit dem Neubau gewonnen würde, plant Signa eine bisher nicht festgelegte Mischnutzung. Noch gibt es weder Bebauungsplan noch Bauantrag. Doch Signa ist beharrlich – und will zunächst vor allem politische Widerstände aus dem Weg räumen.

Die Ankündigung der Pläne Anfang 2019 hatten zunächst für Entzücken bei Politik und Medien gesorgt. Von „architektonischem Glanz“ war die Rede, der am Hermannplatz wieder erstehen solle. Die Konzeptzeichnungen des von Signa beauftragten Star-Architekturbüros David Chipperfield Architects zeigen die hochstrebende Fassade mitsamt Türmen, auf der Dachterrasse tanzen Pärchen im Abendlicht.

Glanzvoll ist am Hermannplatz derzeit nur wenig. Mehrere große Verkehrsadern laufen hier zusammen, die rechteckige Fläche dazwischen wirkt, von mehrspurigen Straßen umringt, eher wie eine verbreiterte Mittelinsel mit U-Bahn-Ausgang. Und tanzende Pärchen gibt es nur in Form von Joachim Schmettaus Bronzeskulptur, die etwas verloren in der Mitte des Platzes steht. Drumherum sorgen Marktbuden für geschäftiges Treiben, auch Trinker*innen und Drogensüchtige finden hier Zuflucht. Die Polizei stuft den Platz als kriminalitätsbelasteten Ort ein, an dem sie auch ohne Begründung Kontrollen durchführen darf.

Neuköllns Bürgermeister sieht Chance für den Bezirk

Neuköllns Bürgermeister Martin Hikel (SPD) sieht deshalb in Signas Engagement eine Chance für den Bezirk: „Grundsätzlich begrüßen wir die Pläne“, sagt er der taz, „Karstadt kann langfristig erhalten werden und der Hermannplatz wird belebt.“ Der spektakuläre Neubau hätte eine Magnetwirkung für viele Berliner*innen außerhalb des Bezirks, gleichzeitig könne in Abstimmung mit Signa in dem Gebäude „etwas für die umliegenden Quartiere erreicht werden“. Außerdem sei das eine willkommene Gelegenheit, den Hermannplatz umzugestalten. „Wenn nicht gerade Markt ist, bietet der Platz wenig Aufenthaltsqualität“, so Hikel, man sei „umringt von Blech“.

Gegenüber von Karstadt auf der anderen Seite des Platzes betreibt Arno Finkelmann ein Geschäft für Damenmode, seit über fünfzig Jahren. Eine ältere Frau mit Mundschutz guckt sich im Geschäft um, ansonsten ist es ruhig. Auch Finkelmann sieht Signas Umbaupläne positiv. Er hofft, dass der Neubau neue Kundschaft für seinen Laden bringt: „Karstadt war nie Konkurrent“, so der Ladeninhaber, „wichtig ist, dass das, was da hinkommt, funktioniert.“

Das alte Karstadt-Haus um 1930, Postkarte Foto: akg-images

Doch das geplante Zwanziger-Jahre-Revival sorgt im migrantisch geprägten Neuköllner Norden auch für Unbehagen. „Diese Rekonstruktion ist eine konservative und nostalgische Art, in die Vergangenheit zurückzuschauen, da schwingen viele Dinge mit, die mir nicht gefallen“, erinnert sich Niloufar Tajeri an ihre erste Reaktion auf Signas Pläne. „Gerade in diesem Kiez hat das eine besondere Tragweite.“

Tajeri ist Architektin und beschäftigte sich auch wissenschaftlich mit Architektur und Gentrifizierung. „Neukölln ist extrem von Verdrängung und Aufwertung betroffen“, sagt sie. Zwischen 2007 und 2018 stiegen die Mieten im Norden des Bezirks laut einer Erhebung des Portals Immobilienscout24 um 146 Prozent: der höchste Anstieg in ganz Berlin, und das, obwohl die Bewohner*innen hier überdurchschnittlich oft arm sind.

„Die Angst ist, dass mit dem Neubau eine weitere Welle in Gang gesetzt wird, die auch noch die letzten Verbliebenen verdrängt“, fasst Tajeri die Sorgen vieler Anwohner*innen zusammen. Gefährdet sind nicht nur sie: Wenn die vergrößerte Geschossfläche des Neubaus dafür genutzt wird, noch mehr Einzelhandel anzusiedeln, könnte das die Konkurrenz für die umliegenden Geschäfte verstärken. „Eine weitere Mall können wir dort nicht gebrauchen“, sagt auch Bürgermeister Hikel, „entscheidend ist, was innen umgesetzt wird.“

Ein „Landmark-Building“

Doch selbst wenn Signa keinen einzigen zusätzlichen Quadratmeter Gewerbefläche schaffen würde, würde der Neubau die Aufwertungsspirale befeuern. Denn bei einer Rekonstruktion des alten Monumentalbaus würde am Hermannplatz nicht nur ein Einkaufszentrum, sondern ein neues Wahrzeichen entstehen. Solche Wahrzeichen, in Immobilienkreisen auch „Landmark-Buildings“ genannt, erhöhen die Attraktivität weit über die Grenzen eines Quartiers hinaus. Die Folge sind steigende Boden- und Immobilienpreise, da die Nähe zur Landmarke wertsteigernd ist.

Ikonische Landmarken sind das Kerngeschäft der Signa Prime Selection AG, die auch den Neubau am Hermannplatz plant. Die Prime Selection AG ist das Aushängeschild von Benkos Firmengeflecht, in ihrem Portfolio finden sich das KaDeWe in Schöneberg, der geplante Elbtower in Hamburg und sogar das Chrysler Building in New York.

Niloufar Tajeri (rechts) und Mitstreiter*innen von der Initiative Hermannplatz Foto: Tina Eichner

Durch den „Landmark“-Status kann Signa nicht nur höhere Mieten verlangen, sondern erzielt vor allem Gewinne durch steigende Immobilienwerte. Sig­na selbst wirbt online mit der „großen Strahlkraft“ seiner Immobilien. Auch deshalb dürfte eine bloße Sanierung des alten Gebäudes wenig attraktiv für den Investor sein. Interviewanfragen der taz dazu ließ Signa unbeantwortet.

Verheerend kann diese Strahlkraft vor allem für das mietrechtlich kaum geschützte und rund um den Hermannplatz vor allem migrantische Kleingewerbe sein: „Wir brauchen uns nur den Kottbusser Damm anzuschauen, da hat ein Laden nach dem anderen zugemacht, weil damit spekuliert wird, dass die nächsten Mieter das Dreifache zahlen“, sagt Tajeri. „Ein so großes Projekt kann diese Entwicklung auf einen Schlag auch für die Karl-Marx-Straße und die Sonnenallee in Gang setzen.“ Noch sind dort Afro- und Asia-Shops, Modegeschäfte, die Hidschabs und Brautmode anbieten, Shishabars und arabische Supermärkte ein allgegenwärtiger Anblick.

Seit über zehn Jahren wohnt die Aktivistin selbst in Neukölln. „Ich bin hier bewusst hergezogen, hier gibt es eine migrantische Community, in der ich mich wohl fühle“, sagt sie. Doch mit dem Verlust des Kleingewerbes drohe diese wichtige Bezugspunkte zu verlieren. Die Bewohner*innen entfremden sich von ihrem eigenen Viertel. „Verdrängung hat viele Dimensionen“, erklärt Tajeri.

Die Möglichkeit, dass ein rechts-sympathisierender Investor in einem migrantisch geprägten Stadteil tätig wird, ist für die Aktivist*innen der Initiative Hermannplatz eine Provokation

Einen weiteren Reizpunkt für die Aktivist*innen stellt die skandalumwitterte Person René Benkos selbst dar. Der Signa-Gründer und Selfmade-Milliardär soll nach eigener Erzählung seine ersten Millionen Ende der Neunziger mit dem Ausbau von Dachböden zu Luxuswohnungen in Wien gemacht haben. Seitdem vergrößerte er sein Imperium fortwährend und kaufte unter anderem angeschlagene Einzelhandelsunternehmen auf, darunter schrittweise auch Karstadt.

Trotz seiner Medienscheu machte Benko immer wieder negative Schlagzeilen. 2014 wurde er vom Obersten Gerichtshof in Wien wegen Korruption verurteilt – und versuchte daraufhin, Medienberichte darüber juristisch zu unterbinden. Die österreichische Rechercheplattform Addendum berichtet von einem undurchsichtigen Geflecht von Firmen und Stiftungen, hinter den Benko seine Geschäfte verbirgt. Der 43-Jährige sei auch bestens in der Politik vernetzt.

Der wohl schwerwiegendste Skandal ereignete sich vor knapp einem Jahr, als die Veröffentlichung des sogenannten Ibiza-Videos die Regierungskoalition in Österreich in eine schwere Krise stürzte. Zu sehen war darin Heinz-Christian Strache, der ehemalige Vizekanzler und Vorsitzende der rechtspopulistischen FPÖ, wie er in einer Villa auf Ibiza offen über Korruptionsversuche plauderte. Beiläufig erwähnte Strache, dass Benko der FPÖ illegale Partei­spenden zukommen ließe.

Zwar bestreiten sowohl Benko als auch Strache vehement, dass die Aussage im Video der Wahrheit entspräche, doch allein die Möglichkeit, dass ein rechts-sympathisierender Investor so maßgeblich in einem migrantisch geprägten Stadteil wie Neukölln tätig wird, ist für die Aktivist*innen der Initiative Hermannplatz eine Provokation. „Der Name Benko hat das Fass zum Überlaufen gebracht.“ Viele aus der Initiative, so Tajeri, habe das Ibiza-Video motiviert, sich gegen Signas Pläne zu engagieren: „So einen wollen wir hier nicht.“

Ein paar Meter von der Kartoffelpufferbude entfernt, vor der die Aktivist*innen Unterschriften sammeln, ist auf dem Hermannplatz ein kleiner Markt aufgebaut. Trotz Corona ist er gut besucht, die Händler*innen profitieren vor allem vom Fußverkehr vor der U-Bahn-Station. Auch hier sind die Meinungen zu Signas Plänen gespalten: „Das passt nicht zu uns. Die Menschen, die hier wohnen, sind arm“, sagt Aburakba Fawzi.

Der Hermannplatz, von Neukölln aus fotografiert, das Karstadt-Gebäude liegt in Kreuzberg Foto: Tina Eichner

Der ältere Herr betreibt seit 30 Jahren einen Kaffeestand auf dem Hermannplatz, „einen Ku’damm gibt es in Berlin schon“, scherzt er. Ein anderer Händler, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, befürwortet zumindest die optische Neugestaltung des Gebäudes: „Ich gucke seit zehn Jahren auf dieses Haus und kann nichts Schönes daran erkennen.“

„Ein Neubau würde einen kompletten Existenzverlust für mich bedeuten“, sagt auch George Wojatzis, der Inhaber des Puffer-Imbisses. Seit 35 Jahren betreibt er die kleine Bude auf dem breiten Gehweg der Hasenheide an der Seite von Karstadt. Sie müsste wohl als erstes der Baustelle weichen. Etwas Neues finden? „Bei den Mieten in der Umgebung, schwierig“, sagt Wojatzis. Signa veranschlagte die Bauzeit in den ersten Ankündigen mit drei bis vier Jahren, die Auswirkungen an so einem zentralen Platz wären gewaltig.

Während der Hermannplatz zu Neukölln gehört, ist das Grundstück, auf dem das Karstadt-Gebäude steht, Teil des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg. Dessen Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) teilt die Befürchtungen der Kritiker*innen und erteilte dem Projekt vergangenen August eine krachende Absage: „Es handelt sich um eine ‚Mixed-Use-Immobilie‘, zum Teil mit dem Charakter eines Shoppingcenters“, heißt es in der damaligen Presseerklärung des Bezirks. „Die geplante Fassadenrekonstruktion ist nur noch eine Hülle für ansonsten austauschbare Nutzungen.“ Schmidt sieht keinen Bedarf für den Bezirk, den für ein solches Projekt notwendigen Bebauungsplan aufzustellen.

Benko ist bekannt für seinen langen Atem

Doch Benko ist bekannt für seinen langen Atem. „Wir können unsere Projekte mit sehr viel Geduld und guten Argumenten angehen. Bisher sind wir so immer ans Ziel gekommen“, erklärte er im vergangenen November bei einem Vortrag in der Industrie- und Handelskammer Berlin.

Wie Signa bei den Anwohner*innen um Unterstützung für das Neubauvorhaben wirbt, zeigt ein Besuch im Hof des Karstadt-Gebäudes. Wo ehemals Parkplätze waren, führt nun eine rote Fahrradstraße über den Innenhof und verbindet die Urbanstraße mit der Hasenheide. Auf einer Betonauffahrt thront ein zu einem Café ausgebauter Container – die „HRMNNBOX“. Der Ort wirkt, als hätte man ein hippes Kreuzberger Café in den Innenhof von Karstadt verpflanzt, mitsamt Holzpaletten-Möbeln und Dachterrasse. An diesem Donnerstagnachmittag legt ein DJ Old-School-HipHop auf. Ein Sprayer verschönert die Betonauffahrt, während ein Kamerateam von Signa ihn für ein Promovideo filmt.

Beraten wird ­Signa dabei von der PR-Firma des ehemaligen grünen Außenministers Joschka Fischer

Die HRMNNBOX soll laut Signa „ein Ort des Austausches über die Zukunft des Hermannplatzes sein“. Man kann dort nicht nur Kaffee trinken, sondern auch Wünsche für das zukünftige Karstadtgebäude auf eine Steckwand schreiben. „Sauna“, „Bienenstöcke“ und „Meditationsecke“ haben Besucher bereits auf die Wand gepinnt.

Die Botschaft, die Signa damit senden will, lautet: Unsere Projekte sind keine Gefahr für den Kiez, sondern bieten einen Mehrwert. Wenn schon auf einem Parkplatz ein hippes Café, Urban Gardening und eine Fahrradwerkstatt entstehen kann, welche Möglichkeiten bietet dann ein ganzer Neubau?

Die HRMNNBOX ist Teil des „Dialogs Hermannplatz“, einer Kampagne, mit der Signa die Argumente der Kritiker*innen entkräften will. Beraten wird ­Signa dabei von der PR-Firma des ehemaligen grünen Außenministers Joschka Fischer.

Signa betont in Presseberichten und Gesprächen mit Politiker*innen, man wolle das Gebäude zusammen mit den Anwohnenden entwickeln. Entsprechend flexibel reagiert der Immobilienkonzern auf Kritik: Karstadt solle auf jeden Fall erhalten und nicht verkleinert werden, statt weiterer Einzelhandelsflächen solle Raum für Arztpraxen und Vereine geschaffen werden, statt eines Hotels war zeitweilig von Sozialwohnungen die Rede, für die der Neubau Platz böte. „Neben einer neuen Filiale soll eine breite Angebotsvielfalt entstehen und die alltäglichen Bedarfe der Menschen widerspiegeln“, erklärte Signa-Sprecher Sebastian Schmidt der taz.

„Signa fährt eine großangelegte Kampagne, die nicht mit Fakten, sondern mit Emotionen spielt“, schätzt Tajeri die Taktik des Immobilienkonzerns ein. „Dabei werden aber ganz grundlegende Dinge verschwiegen.“ So werde die Frage, ob ein aufwendiger Abriss und Neubau überhaupt notwendig sei, von Signa gar nicht erst diskutiert. Ein Dialogverfahren „auf Augenhöhe“ wäre bei einer so ungleichen Ausgangslage nicht möglich, so Tajeri.

Auch Baustadtrat Schmidt zeigt sich gegenüber dem von ­Signa gewünschten Beteiligungsprozess skeptisch: „Natürlich wäre ein Dialogverfahren mit der Signa möglich“, so Schmidt gegenüber der taz, „allerdings gibt es mittlerweile erhebliche Zweifel an der Möglichkeit, dies ergebnisoffen zu führen.“

Keine endgültige Absage

Aber eine endgültige Absage an Signa erteilt selbst der vom Tagesspiegel als „Investorenschreck“ betitelte Schmidt nicht. Der Baustadtrat betont, dass der Bezirk nicht die notwendigen Kapazitäten habe, das sehr aufwendige Dialogverfahren selbst durchzuführen. Tätig werden würde er nur, wenn ihm die Bezirksverordnetenversammlung den Auftrag dazu erteilt: „Der einzige Weg wäre aktuell, dass die Signa ihren Wunsch nach einem Dialogverfahren in der BVV zur Diskussion stellt.“

Expert*innen vermuten schon lange, dass Signa vor allem wegen der Immobilien bei Karstadt eingestiegen ist

Der längste Hebel, den Signa für die Durchsetzung ihres Vorhabens besitzt, dürfte aber der Fortbestand der Karstadt-Filiale selbst sein. Dass der Standort am Hermannplatz erhalten werden muss, betonen alle beteiligten Akteure – auch die Initiative und die Händler am Hermannplatz. Obwohl er zu den umsatzstärkeren Filialen gehört und schwarze Zahlen schreibt, gehen nach Angaben Signas die Gewinne seit Jahren zurück.

Nach der Übernahme durch Signa schaffte es Benko zwar, den Warenhauskonzern wieder kurzzeitig in die Gewinnzone zu führen, doch erkauft wurde dies vor allem durch Lohnverzicht der Beschäftigten. Und mit der Coronakrise geriet der frisch fusionierte Konzern Galeria Kaufhof Karstadt abermals ins Straucheln. Die Umsatzeinbußen durch den Lockdown gehen in die Milliarden.

Um den Konzern zu sanieren, leitete Signa schon Anfang April ein Schutzschirmverfahren ein, eine mildere Form des Insolvenzverfahren in Eigenregie. Medienberichten zufolge könnten bis zu die Hälfte der Filialen von Schließung betroffen sein. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi stellt sich auf harte Verhandlungen ein.

„Für den langfristigen Fortbestand von Karstadt am Hermannplatz ist die Umsetzung eines nachhaltigen Konzepts zwingend notwendig“, so Signa-Sprecher Sebastian Schmidt. Die indirekte Botschaft lautet: Nur durch einen Neubau kann der Standort erhalten werden. ­Signa wirbt damit, dass am Hermannplatz eine Karstadt-Filiale der Zukunft entstehen werde, die das Kaufhauskonzept wieder neu beleben soll. „Wichtig ist, dass wir wieder mehr Emotion, mehr Erlebnis in die Innenstädte bringen. Das gelingt nur durch Nutzungsvielfalt“, erklärt Signa-Manager Timo Herzberg in einem Interview mit der Morgenpost.

Doch Expert*innen vermuten schon lange, dass Signa vor allem wegen der Immobilien bei Karstadt eingestiegen ist. Die Coronakrise ist demnach eine willkommene Gelegenheit, sich unprofitabler Filialen zu entledigen und sie für eine gewinnbringendere gemischte Nutzung freizumachen. An eine erst im vergangenen Dezember von Verdi erstrittene Standortgarantie für alle Häuser bis 2025 ist Signa durch das Schutzschirmverfahren nicht mehr gebunden. Die Zukunft von Galeria Karstadt Kaufhof ist ungewiss. Dennoch versichert Signa: „Wir halten an unseren Plänen für das Projekt am Hermannplatz unverändert fest.“

Kaffeeverkäufer Aburakba hat wenig Hoffnung, was die Zukunft angeht: „Wenn die reichen Leute ein Ziel haben, werden sie das erreichen.“ Tajeri und ihre Mitstreiter*innen lassen sich trotz ihres mächtigen Gegners nicht entmutigen: „Wenn die Zivilgesellschaft zusammenhält, können wir das schaffen.“

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