Streit zu Grass wird schriller: Das Echo des Schnäuzers

Israels Regierungschef stimmt in die Kritik am Gedicht von Günter Grass ein. Unterstützung erhält der Nobelpreisträger von Schriftstellern – und von der NPD.

Licht und Schatten: Günter Grass. Bild: dpa

BERLIN taz | Von Irans Regierung stand eine offizielle Reaktion bis Donnerstag noch aus. Dafür meldete sich Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu aus Jerusalem zu Wort, um Günter Grass für seine „schändliche moralische Gleichstellung Israels mit dem Iran“ zu kritisieren.

In Fernsehinterviews bei ARD und ZDF hatte sich der Literaturnobelpreisträger am Donnerstag zu den Vorwürfen geäußert, er befeuere antisemitische Ressentiments. Zahlreiche Publizisten und Politiker hatten in diesen Tenor eingestimmt. Mathias Döpfner, der Vorstandsvorsitzende des Springer-Verlags, warf Grass in der Bild-Zeitung vor, er relativiere die Schuld der Deutschen am Holocaust, indem er die Juden zu Tätern mache.

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) warnte an gleicher Stelle, Grass „sollte aufpassen, dass er hier nicht zündelt“. Und FDP-Generalsekretär Patrick Döring befand, aus Grass’ Gedicht sprächen „uralte Vorurteile“. Etwas verhaltener fiel die Kritik bei der SPD aus: Generalsekretärin Andrea Nahles nannte das Gedicht lediglich „irritierend und unangemessen“. Und Ralf Mützenich, der außenpolitische Sprecher der SPD, konstatierte dürr „Einseitigkeit“.

„Leider auch Verharmlosung“

Deutlicher wurden die Grünen: Kerstin Müller, die außenpolitische Sprecherin der Grünen, warf Grass „Pathos, Apokalypse“ sowie „leider auch Verharmlosung“ vor. Und ihr Parteikollege Volker Beck sagte, Grass mobilisiere antisemitische Stereotypen, wenn er sich, wie im TV-Interview geschehen, zum Opfer einer angeblich gleichgeschalteten Presse stilisiere.

Die Kandidatin der Linkspartei bei der vergangenen Bundespräsidentenwahl, Beate Klarsfeld, warf Grass am Freitag in einer Erklärung vor, er spiele „antisemitische Musik“, und verglich sein Gedicht mit einer Hitler-Rede von 1939. Der außenpolitische Sprecher der Linkspartei, Wolfgang Gehrcke, hatte sich zuvor für seine Fraktion voll hinter den Nobelpreisträger gestellt.

Am meisten Unterstützung findet Grass bei Schriftsteller- und Künstlerkollegen. Johano Strasser, der Präsident des deutschen PEN-Zentrums, warnte in einem Radiointerview wie Grass vor Waffenexporten an eine israelische Regierung, die den Anschein erwecke, ein Krieg gegen den Iran sei unausweichlich. Und der Präsident der Akademie der Künste in Berlin, Klaus Staeck, forderte: „Man muss ein klares Wort sagen dürfen, ohne als Israelfeind denunziert zu werden.“

Herta Müller fordert Zurückhaltung

Die Nobelpreisträgerin Herta Müller dagegen findet, ihr Kollege solle sich lieber zurückhalten: „Wenn man mal in der SS-Uniform gekämpft hat, ist man nicht mehr in der Lage, neutral zu urteilen“, sagte die Schriftstellerin am Rande einer Lesereise in Prag.

Der deutsche Verband Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost, dem überwiegend Exilisraelis angehören, gratulierte Grass hingegen für seine Kritik an der israelischen Politik. Applaus kommt aber auch aus einer Ecke, die Grass nicht gefallen dürfte: Der sächsische NPD-Abgeordnete Jürgen Gansel lobte einen „befreienden Tabubruch“.

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