Studie des Aktionsrats Bildung: Lehrerland ist ausgebrannt

Die Politik hat die Schule zum Reform-Spielfeld erklärt. Und viele werden aus falschen Gründen Lehrer. Kein Wunder, dass etliche unter Burn-out leiden.

Das hält man ja im Kopf nicht aus: 30 tobende Kinder in einem Raum. Bild: view7 / photocase.de

Carola, 6. Klasse, hat jetzt Deutsch bei einem ehemaligen Call-Center-Angestellten. Dessen pädagogische Referenzen sind ein Germanistikstudium und eine Tante, die Lehrerin ist. Ihr Bruder Karl wird seit den Herbstferien von einer engagierten Lehramtsstudentin unterrichtet, die schon vor ihrer praktischen Ausbildung, dem Referendariat, Erfahrungen als Klassenleiterin einer zweiten Klasse sammeln darf.

Den Geschwistern ist im Laufe des Schuljahrs jeweils die Klassenlehrerin abhandengekommen. Der Grund: ein „dauerhafter negativer, arbeitsbezogener Seelenzustand von Personen ohne psychopathologische Vorgeschichte“, wie es eine Studie beschreibt. Kurz: Burn-out.

Liest man diese Studie des Aktionsrats Bildung, eines professoralen Klubs, der von der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft finanziert wird, erfährt man, dass bis zu 30 Prozent der LehrerInnen sich ausgebrannt fühlen.

So wenig? Wenn schon in einer Grundschule, wo die Kinder noch Kinder sind, die Lehrer reihenweise zusammenklappen, wie stressig muss es dann erst bei Teenagern in Real- oder Gesamtschulen oder Gymnasien sein?

Die falschen Hürden

Dass Lehrersein ein nervzehrender Beruf ist, in dem man ständig Gefahr läuft, sich auf Pupskissen oder Schlimmeres zu setzen, weiß man aus der eigenen Zeit als Schüler oder Schülerin. Es verwundert daher, dass sich so viele junge Menschen diesen Gefahren aussetzen wollen. Studienwillige brauchen einen Einserdurchschnitt, Erstsemestervorlesungen sind Massenveranstaltungen. Die Hürden für den Traumberuf liegen hoch, aber es sind die falschen Hürden.

Warum willst du Lehrer werden?, fragt einen vor Studienbeginn niemand. Weil du Lust darauf hast, mit 30 tobenden Kindern in einem Raum zu sein? Wenn das so wäre, dann wäre es eine gute Voraussetzung für den Beruf. Aber so ist es nicht. Studien zeigen, dass ein Viertel der Studentinnen und Studenten das Studium als Notlösung empfindet, etwa 30 Prozent gefällt in erster Linie die Aussicht auf lange Ferien und einen Schultag bis 14 Uhr. Die Arbeitszeiten waren auch in der Vergangenheit, als Kitaplätze noch rarer waren, ein wichtiges Motiv, boten sie doch die Möglichkeit, eigene Kinder und Vollzeitjob zu wuppen.

Fehlende Eignung ist aber nicht die alleinige Ursache für die psychische Überforderung vieler LehrerInnen. Vielleicht ist es nicht einmal die hauptsächliche. Die Potsdamer Lehrerstudie des Beamtenbundes zeigt, dass der Anteil Burn-out-Gefährdeter bei zwei Gruppen besonders hoch ist: den Resignierten und den Engagierten.

Resignierte und Engagierte

Die einen ziehen sich zurück, die anderen übernehmen deren Part und halsen sich noch zig zusätzliche Aufgaben auf: Lesenächte, Elternbesuche, Klassenfahrten und Schülerparlament. Die Politik hat das Personal für solche extracurricularen – gleichwohl für Klassenklima und Zusammenhalt wichtigen Aktivitäten – in den letzten Jahren immer wieder gekürzt. LehrerInnen sollen am besten alles selbst machen. Sie sind heute Sozialarbeiter, Wissenvermittler und Eventmanager.

Hinzu kommt, dass Bildung ein beliebtes Feld für politischen Gestaltungswillen ist. Allein das Wort „Reform“ löst bei vielen LehrerInnen inzwischen Herzflattern aus. Carola lernte in Klasse eins in einer jahrgangsreinen Klasse, dann führte die Schule nach Verwaltungsvorschrift das jahrgangsübergreifende Lernen (JüL) ein, und Carola fand sich in einer Lerngruppe mit Erst- und Zweitklässlern. Im dritten Jahr schaffte die Schule das JüL wieder ab und die dritte Klassenleiterin in drei Jahren übernahm.

Klassenleiterin Nummer vier brach zusammen, nachdem sie erfuhr, dass für den verhaltensauffälligen Schüler in der Klasse kein zusätzlicher Schulhelfer gestellt werden könne – bedauerlich, aber tja, kein Geld.

Beide Klassenlehrerinnen, so erfahren die Eltern, werden wohl für längere Zeit, mindestens jedoch bis zum Schuljahresende ausfallen. Ersatz zu beschaffen war nicht leicht, aber man ist ja schließlich fündig geworden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.