Studie über Lobbying in Deutschland: Getrübter Blick

Deutschland sei ein „Eldorado für Interessenvertretungen“, sagt Transparency International – und regt die Einführung einer „legislativen Fußspur“ an.

Für mehr Transparenz im Reichstagsgebäude sorgen Fensterputzer – und Transparency International. Bild: dpa

BERLIN taz | Mal schreibt die Autoindustrie fleißig an der Verordnung für die Verbrauchskennzeichnung für Autos mit, mal bedenkt ein Spielautomatenkönig die Parteien mit Geldspenden. Der Erfolg lässt sich an der Gesetzgebung ablesen: Selbst schwere Oberklassenfahrzeuge können sich als sparsam auszeichnen lassen und Geldspielautomaten bleiben erlaubt, egal wie schnell sie Spieler süchtig machen können.

Das sind nur zwei von vielen Beispielen für das stille Wirken von Lobbyisten in Deutschland, die eine Studie des Politikprofessors Rudolf Speth von der Uni Kassel im Auftrag der Organisation Transparency International (TI) nennt. „Deutschland ist ein Eldorado für Interessenvertretung“, sagt TI-Chefin Edda Müller am Montag bei der Vorstellung der Ergebnisse.

Nicht die Interessenvertretung an sich stört Müller, schließlich sichere diese in einer Demokratie Mitsprachemöglichkeiten. Aber es fehle an Transparenz und gleichen Chancen für alle Interessengruppen. „Manche sind einflussreicher als andere“, so Müller. Ausschlaggebend seien die jeweiligen finanziellen Möglichkeiten.

Forscher Speth beobachtet einen Wandel in der Arbeit der Lobby. Während in der alten Bundesrepublik vor allem Verbände bei der Gesetzgebung mitreden wollten, scharen sich heute mehr einzelne Unternehmen, Anwaltskanzleien oder spezialisierte PR-Agenturen um Politiker.

Tausende Lobbyisten bevölkern Berlin

Wie viele Einflüsterer sich in der Hauptstadt tummeln, ist nicht bekannt. Speth schätzt allein die Zahl der bundesweit tätigen Verbände auf rund 4.000. Dazu unterhalten 120 große Unternehmen Repräsentanzen in Berlin. 150 Agenturen, Anwaltskanzleien und Unternehmensberatungen bearbeiten die Abgeordneten, 200 Wissenschaftler bewerten Gesetzesvorhaben in Beiräten oder als Gutachter. Registriert ist nur ein Teil davon.

Das soll sich ändern, fordert TI und schlägt vor, eine Kartei einzuführen. Zusätzlich sei ein Verhaltenskodex für die Interessenvertretung nötig. Verstöße müssten sanktioniert werden.

Darüber hinaus plädiert TI für die Einführung einer „legislativen Fußspur“. In den Gesetzentwürfen sollen die Ministerialbeamten oder Abgeordneten angeben, aufgrund welcher Interessen welche Formulierungen in den Text gekommen sind. Auch die vielen Sachverständigen sollen transparenter werden und angeben, in wessen Auftrag sie in den zurückliegenden fünf Jahren tätig waren. „Unser Bemühen ist es, Licht ins Dunkel zu bringen“, so Müller.

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