piwik no script img

Studie zu PhytoplanktonWichtiger Winzling mag es nicht warm

Hohe Temperaturen schaden einem bedeutenden Plankton, zeigt eine Studie. Das könnte weltweit Nahrungsnetzen schaden. Doch es gibt Kritik am Vorgehen.

Francois Ribalet hält ein Fläschchen mit Prochlorococcus in der Hand: das kleinste Lebewesen, das Photosynthese betreibt Foto: Annika Hammerschlag/ap

Berlin taz | Setzt sich die Erderhitzung ungebremst fort, könnten die Bestände des Phytoplanktons Prochlorococcus um bis zu 51 Prozent schrumpfen. Das zeigt eine Studie, die am Montag in der Fachzeitschrift Nature Microbiology erschien.

Prochlorococcus ist das kleinste Lebewesen, das Photosynthese betreibt, und gleichzeitig das zahlenmäßig häufigste. Es produziert etwa die Hälfte des Sauerstoffs aller Meereslebewesen und damit ein Viertel des weltweit erzeugten Sauerstoffs. Prochlorococcus ist außerdem ein entscheidender Bestandteil der Nahrungskette.

„Die Sauerstoffkonzentration der Atmosphäre ist das Ergebnis von Jahrtausenden an Sauerstoffproduktion durch photosynthetische Organismen und ist ein stabiles Reservoir“, sagte Miriam Seifert vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) dem Science Media Center. Wie sich die Population von Prochlorococcus verändert, werde deshalb keinen großen Einfluss auf die Sauerstoffkonzentration der Atmosphäre haben.

„Am wichtigsten sind die Studienergebnisse daher für Projektionen des zukünftigen marinen Nahrungsnetzes“, sagte sie. Sämtliche Organismen bis hin zu Fischen und Meeressäugern seien davon abhängig, dass Kleinstlebewesen wie Prochlorococcus Biomasse erzeugen.

Einzeller mögen Hitze zuerst, dann plötzlich gar nicht mehr

Um den Einfluss steigender Meerestemperaturen auf Prochlorococcus zu untersuchen, sammelte das Forscher*innen-Team um den Mikrobiologen François Ribalet 14 Jahre lang Proben des Phytoplanktons im Pazifik. Anhand dieser Proben untersuchten die Forscher*innen, wie sich die Teilungsraten von Prochlorococcus entwickeln, wenn sich die Ozeane weiter erhitzen.

Die Einzeller teilten sich demnach immer schneller, bis Temperaturen von 28 Grad erreicht wurden. Danach sanken die Teilungsraten rasch. Mit diesen Erkenntnissen fütterten die For­sche­r*in­nen Klimamodelle, die die Ozeantemperaturen in verschiedenen Zukunftsszenarien simulieren.

Im schlimmsten Szenario – das über derzeit prognostizierte Temperaturanstiege hinausgeht – brach die Population von Prochlorococcus um etwa die Hälfte ein. Das derzeit wahrscheinlichste Szenario führte immer noch zu einem Rückgang um 17 Prozent. Der Studie zufolge können andere Mikroorganismen diesen Rückgang nicht auffangen.

Reißerische Aufmachung nicht gerechtfertigt, sagt Forscher

Die Vorgehensweise der For­sche­r*in­nen ist umstritten. Während AWI-Wissenschaftlerin Seifert die Studie „überzeugend“ findet und die Interpretation der Ergebnisse „vorsichtig und fundiert“ nennt, hält Bernhard Fuchs vom Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie die „etwas reißerische Aufmachung“ der Studie für „nicht ganz gerechtfertigt“.

Die Probenentnahme sei auf die obersten Meeresschichten beschränkt und ignoriere deshalb die Erhitzung in größerer Tiefe. Außerdem bleibe offen, ob Prochlorococcus bei Hitze weiter funktioniert oder abstirbt. „Nur weil sich Prochlorococcus nicht mehr teilen, heißt das noch lange nicht, dass sie nicht mehr leben“, sagte Fuchs dem Science Media Center.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare