Studie zu Phytoplankton: Wichtiger Winzling mag es nicht warm
Hohe Temperaturen schaden einem bedeutenden Plankton, zeigt eine Studie. Das könnte weltweit Nahrungsnetzen schaden. Doch es gibt Kritik am Vorgehen.

Prochlorococcus ist das kleinste Lebewesen, das Photosynthese betreibt, und gleichzeitig das zahlenmäßig häufigste. Es produziert etwa die Hälfte des Sauerstoffs aller Meereslebewesen und damit ein Viertel des weltweit erzeugten Sauerstoffs. Prochlorococcus ist außerdem ein entscheidender Bestandteil der Nahrungskette.
„Die Sauerstoffkonzentration der Atmosphäre ist das Ergebnis von Jahrtausenden an Sauerstoffproduktion durch photosynthetische Organismen und ist ein stabiles Reservoir“, sagte Miriam Seifert vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) dem Science Media Center. Wie sich die Population von Prochlorococcus verändert, werde deshalb keinen großen Einfluss auf die Sauerstoffkonzentration der Atmosphäre haben.
„Am wichtigsten sind die Studienergebnisse daher für Projektionen des zukünftigen marinen Nahrungsnetzes“, sagte sie. Sämtliche Organismen bis hin zu Fischen und Meeressäugern seien davon abhängig, dass Kleinstlebewesen wie Prochlorococcus Biomasse erzeugen.
Einzeller mögen Hitze zuerst, dann plötzlich gar nicht mehr
Um den Einfluss steigender Meerestemperaturen auf Prochlorococcus zu untersuchen, sammelte das Forscher*innen-Team um den Mikrobiologen François Ribalet 14 Jahre lang Proben des Phytoplanktons im Pazifik. Anhand dieser Proben untersuchten die Forscher*innen, wie sich die Teilungsraten von Prochlorococcus entwickeln, wenn sich die Ozeane weiter erhitzen.
Die Einzeller teilten sich demnach immer schneller, bis Temperaturen von 28 Grad erreicht wurden. Danach sanken die Teilungsraten rasch. Mit diesen Erkenntnissen fütterten die Forscher*innen Klimamodelle, die die Ozeantemperaturen in verschiedenen Zukunftsszenarien simulieren.
Im schlimmsten Szenario – das über derzeit prognostizierte Temperaturanstiege hinausgeht – brach die Population von Prochlorococcus um etwa die Hälfte ein. Das derzeit wahrscheinlichste Szenario führte immer noch zu einem Rückgang um 17 Prozent. Der Studie zufolge können andere Mikroorganismen diesen Rückgang nicht auffangen.
Reißerische Aufmachung nicht gerechtfertigt, sagt Forscher
Die Vorgehensweise der Forscher*innen ist umstritten. Während AWI-Wissenschaftlerin Seifert die Studie „überzeugend“ findet und die Interpretation der Ergebnisse „vorsichtig und fundiert“ nennt, hält Bernhard Fuchs vom Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie die „etwas reißerische Aufmachung“ der Studie für „nicht ganz gerechtfertigt“.
Die Probenentnahme sei auf die obersten Meeresschichten beschränkt und ignoriere deshalb die Erhitzung in größerer Tiefe. Außerdem bleibe offen, ob Prochlorococcus bei Hitze weiter funktioniert oder abstirbt. „Nur weil sich Prochlorococcus nicht mehr teilen, heißt das noch lange nicht, dass sie nicht mehr leben“, sagte Fuchs dem Science Media Center.
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