Studie zum Klimawandel: Die arktische Zeitbombe

Das Meereis im hohen Norden taut immer weiter auf. Das setzt gewaltige Mengen Methan frei. Die Schäden könnten deutlich größer sein als bisher gedacht.

Nicht nur Eisbären sind bedroht Bild: dpa

BERLIN taz | 45 Billionen Euro könnten die Schäden kosten, sollte das auf dem Meeresgrund unter dem Packeis der Arktis gefrorene Methan freigesetzt werden und das Weltklima weiter aufheizen. 80 Prozent der Schäden durch Überflutung tiefliegender Gebiete, extremere Wetterverhältnisse, Dürren und Stürme würden dabei die schwächsten Ökonomien in Afrika, Asien und Südamerika treffen.

Zu diesem Ergebnis kommen drei Forscher, deren Kommentar zu ihren Untersuchungen am Donnerstag im Fachmagazin nature veröffentlicht wurde. Die Summe entspricht etwa der globalen Wirtschaftsleistung des vorigen Jahres, die bei rund 53 Billionen Euro lag.

Die Autoren, Gail Whiteman von der Erasmus-Universität in Rotterdam und ihre Kollegen Chris Hope und Peter Wadhams von der Universität Cambridge in Großbritannien, gehen davon aus, dass in den kommenden zehn Jahren 50 Milliarden Tonnen Methangas aus den Meeren entweichen. Das entspricht zehn Prozent der gesamten Methangasmenge, die am Rande der sibirischen Kontinentalplatte vermutet wird. Das Modell zur Schadensberechnung basiert auf dem des Ökonomen Nicholas Stern, der 2006 im Auftrag der britischen Regierung die Folgekosten der Erderwärmung berechnet hat.

Bereits im Jahr 2008 waren russische Forscher zu dem Ergebnis gekommen, dass das Entweichen von bis zu 50 Milliarden Tonnen Methan „sehr wahrscheinlich“ sei. Das Gas ist 25-mal klimawirksamer als CO2. Ob die Freisetzung des Methans einen „Kipppunkt“ darstellt, nach dem sich das Klima plötzlich und drastisch ändern kann, ist umstritten. „Sicher ist es nicht, aber möglich“, sagt Anders Levermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.

Berechnung zu ungenau

Die drei britischen Wissenschaftler sind davon überzeugt. Sollten die 50 Milliarden Tonnen Methan entweichen, „dann schmilzt die Zeitspanne, bis die globale Temperaturerwärmung die zwei Grad überschreitet, auf 15 bis 35 Jahre zusammen“, sagt Chris Hope. „Das ist eine unsichtbare Zeitbombe“, erklärt Gail Whiteman. Die Forscher kritisieren, dass in der Diskussion über das schwindende Arktiseis nur positive wirtschaftliche Aspekte beleuchtet werden, wie die Erschließung von Rohstoffvorkommen oder neue Schiffsrouten.

„Den Hinweis, dass die Folgen des ungebremsten Klimawandels enorm sind und damit die positiven wirtschaftlichen Aspekte weit überflügeln werden, kann ich voll unterstützen“, sagt Levermann, hält aber die Modelle zur Berechnung der Schäden für zu ungenau.

Doch die könnten noch deutlich höher liegen: Whiteman, Hope und Wadhams haben die Folgen der Versauerung der Meere und die veränderte ozeanische und atmosphärische Zirkulation nicht mit einkalkuliert.

Auch auf der anderen Seite der Erde droht der Methanausstoß sprunghaft anzusteigen: Forscher berichteten im Fachblatt Scientific Reports diese Woche, dass an den Küsten der Antarktis selbst bislang stabile Bereiche von Permafrostböden an Land schneller als gedacht auftauen. Verantwortlich dafür sind nicht steigende Temperaturen, sondern eine verstärkte Sonneneinstrahlung in dem Gebiet. Das könnte den Klimawandel weiter beschleunigen.

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