Stuttgarts Plan für mehr Bürgerbeteiligung: Eine Onlineplattform reicht nicht aus

Die grün-rote Landesregierung in Stuttgart präsentiert sieben Schwerpunkte für mehr Mitspracherecht der Bürger. Doch die sind gar nicht beteiligt, bemängeln Kritiker.

Symbol für den Wunsch nach mehr Bürgerbeteiligung: Der Protest gegen Stuttgart 21. Bild: dapd

STUTTGART taz | Die Versprechen beim Regierungswechsel in Baden-Württemberg waren groß. Die neue grün-rote Landesregierung wollte sich als "echte Bürgerregierung" verstehen. Der Wunsch nach mehr Beteiligung, symbolisiert durch die Stuttgart-21-Bewegung, hatte die Grünen schließlich an die Macht gespült. Im Raum stand nicht weniger als die Frage nach dem Ende der repräsentativen Demokratie. Nun will Grün-Rot die Antworten liefern.

Am Dienstag hat die Staatsrätin für Bürgerbeteiligung, Gisela Erler, ihren Fahrplan Bürgerbeteiligung 2012 vorgestellt. Doch gerade in der S-21-Bewegung erntet sie mit ihren Ansätzen heftige Kritik.

Erler präsentierte sieben Schwerpunkte, die sie als "Bausteine für gelebte Beteiligung" versteht. Zum Beispiel sei bereits im Januar die Gründung eines landesweiten Netzwerkes "Allianz für Beteiligung" vereinbart worden. Daran werden sich unter anderem kommunale Spitzenverbände und Stiftungen beteiligen.

"Die Allianz soll dazu beitragen, als unabhängiges und selbsttragendes Netzwerk das Thema Bürgerbeteiligung und Zivilgesellschaft im Land zu verankern und die Politik des Gehörtwerdens mit Leben zu füllen", sagte Erler. Die Allianz solle wie ein "intelligenter Schwarm" immer mehr Akteure auf dem Weg zur Bürgergesellschaft mitnehmen.

Ein Leitfaden

Dabei gehe es auch darum, Aktivitäten stärker aufeinander abzustimmen. "Das Rad der Beteiligung muss nicht gänzlich neu erfunden werden." Wichtig sei es, näher zusammenzurücken und Vorhaben klarer zu kommunizieren.

Eine noch sehr vage Ankündigung ist der Leitfaden für eine neue Planungs- und Beteiligungskultur. Dieser soll bis zum Sommer vorgelegt werden. Weiterhin soll die Beamtenaus- und weiterbildung stärker auf Beteiligung ausgerichtet werden. So hätten etwa die Verwaltungsakademien mit der Weiterbildung zu Mediation begonnen.

Im Herbst soll zudem eine Bürgerbeteiligungsplattform im Internet freigeschaltet werden. So könnten Bürger Gesetzesentwürfe online begleiten und ihre Ideen einbringen. Ein bereits konkretes Beispiel ist das Gesetzesvorhaben zur Wiedereinführung der Verfassten Studierendenschaft, das Studenten schon jetzt online kommentieren können.

Die Büger fehlen

Der Gemeindetag Baden-Württemberg begrüßt in einer Stellungnahme den engen Schulterschluss, den Erler mit den Kommunen anstrebt. Kritik übte hingegen die Landesvorsitzende der Umweltorganisation BUND und ehemalige Sprecherin des S-21-Aktionsbündnisses, Brigitte Dahlbender.

"Das läuft im Grundsatz schief", sagte sie der taz. "Es ist zwar nicht falsch, eine Allianz für Beteiligung zu gründen. Nur wenn ich mir angucke, wer beteiligt ist: Das findet ja alles ohne die Bürger statt."

Es stimme auch nicht, so Dahlbender, dass das Rad nicht neu erfunden werden müsste. "Was bisher gelaufen ist, ist nicht gut gelaufen. Wenn jetzt die Kommunen ihre Praxisbeispiele präsentieren können, sind das genau die, die mit Scheinbeteiligung die Dinge so planen, wie sie sie haben wollen."

Es gehe darum, ganz neue Verfahren zu entwickeln und einen richtigen Diskussionsprozess zu starten. "Wer ernsthaft glaubt, die Bürger durch eine Onlineplattform beteiligen zu können, der hat es nicht verstanden."

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