Südossetiens Unabhängigkeit gefordert: Duma will Georgien schrumpfen

Die Kremlpartei fordert die Anerkennung Abchasiens und Südossetiens durch Russland. Die Unabhängigkeit der Regionen würde es erlauben, militärisch vor Ort zu bleiben.

Die russische Armee zieht aus Abchasien ab - oder doch nicht? Bild: dpa

MOSKAU taz Der Föderationsrat des russischen Parlaments hat sich für eine Unabhängigkeit der georgischen Republiken Südossetien und Abchasien ausgesprochen. Am Montag stimmten die Mitglieder der zweiten Parlamentskammer für eine Resolution, die Kremlchef Dmitri Medwedjew dazu auffordert, die beiden Republiken anzuerkennen.

Auch die Duma, das Unterhaus des Parlaments, votierte wenig später für die Souveränität der kaukasischen Separatisten. Fraglich ist allerdings, ob der Kreml der Resolution am Ende tatsächlich zustimmt oder einfach zurzeit international Unruhe stiften möchte.

Für die außerordentlichen Sitzungen der beiden Kammern waren die Abgeordneten und Senatoren vorzeitig aus dem Urlaub zurückgerufen worden. In der vergangenen Woche hatten sich die Präsidenten der beiden abtrünnigen Regionen mit der Bitte um Anerkennung der Souveränität an das russische Parlament gewandt. Die Verletzung der Vereinbarungen zur Konfliktregulierung von 1992 und 1994 durch die Georgier erlaube die Abtrennung der Gebiete, lautet die generelle Begründung. Überdies wirft das Parlament den Georgiern vor, am südossetischen Volk einen "Genozid" begangen zu haben. Auch die Referenden 1999 und 2006 in Abchasien und Südossetien, in denen sich die Bevölkerung mehrheitlich für die Unabhängigkeit ausgesprochen hatte, ziehen die Parlamentarier als Argument des Unabhängigkeitswunsches heran. In dem Antrag der Duma wird bewusst mit überhöhten Opferzahlen des Konflikts gearbeitet, um den "Vorwurf" des Genozids zu untermauern. Obwohl die russische Seite offiziell eingestanden hat, dass bei den Kämpfen statt der ursprünglich angegebenen 2.000 zivilen Opfer tatsächlich 133 zu beklagen waren. In der russischen Öffentlichkeit wird das bewusst verschwiegen. Auch wenn der russische Präsident der Unabhängigkeit zustimmen sollte, gibt sich in Moskau niemand der Illusion hin, dass die beiden Gebiete über kurz oder lang von der internationalen Gemeinschaft anerkannt werden. "Wenn Tiflis vor Gericht zieht, wird die Klärung sicher nicht zu unseren Gunsten ausfallen", sagte ein Regierungsmitglied, das anonym bleiben wollte, der Zeitung Kommersant. Im Falle des Kosovo hatte Russland den Genozid der Serben an den Kosovaren als Begründung für den Austritt aus dem jugoslawischen Staatsverband nicht anerkannt.

Ein Grund für die Überlegungen, die Souveränität der Republiken anzuerkennen, sehen russische Experten in der veränderten Ausgangslage nach dem Feldzug. Durch russische Kriegshandlungen sei Moskau Kriegspartei geworden und hätte den rechtlichen Anspruch, als Friedensvermittler aufzutreten, verwirkt. Die Unabhängigkeit erlaube es unterdessen, militärisch vor Ort zu bleiben. Die Resolution des Parlaments empfiehlt daher, "im Sicherheitsbereich" mit Abchasien und Südossetien umgehend Vertragsverhandlungen aufzunehmen.

Ob der Kreml die Entscheidung der Duma absegnet, hängt laut Alexej Makarkin vom Zentrum für Polit-Technologie in Moskau letztlich davon ab, ob Präsident Medwedjew neben nicht hoffähigen Verbündeten wie Weißrussland auch noch präsentablere Unterstützer findet. Außerdem müsste sich der Kreml überlegen, wie er mit anderen separatistischen Regionen, darunter dem von Moldawien abtrünnigen Transnistrien und Berg-Karabach, das sich von Aserbaidschan losgesagt hat, umgehen wolle.

Russland befindet sich zurzeit in einem Hysterietaumel. Negative Konsequenzen fur Russlands Rolle in der Welt werden nicht ausreichend bedacht. EU Ratspräsident Nicolas Sarkozy berief für den 1. September eine außerordentliche Sitzung der EU ein, die sich mit Georgien, den Entwicklungen im Kaukasus und Konsequenzen im Umgang mit Russland befassen soll.

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