Südostasiatischer Stadtstaat Singapur: Homosexuelle ziehen vor Gericht

In dem so modernen wie konservativen Stadtstaat kriminalisiert noch ein Gesetz aus der Kolonialzeit die Homosexuellen. Jetzt wehren sie sich.

Ein Mensch in einem gelb-pinken Tanktop bläst einen rosa Luftballon auf, sein Gesicht wird dadurch verdeckt

Offiziell wird Homosexualität kriminalisiert, aber das jährliche schwul-lesbische Pink Dot-Festival ist unter strengen Auflagen erlaubt Foto: Wong Maye-E/ap

SINGAPUR taz | Singapurs Buddhisten haben die Zeichen der Zeit erkannt. Die „Buddhist Fellowship“ spricht sich für die Abschaffung des Paragrafen 377 aus, der Homosexualität kriminalisiert. Buddhismus ist Singapurs verbreitetste Religion. Christen und Muslime hingegen beten für die Beibehaltung des Paragrafen 377.

Die Debatte über das Gesetz ist in Singapur wieder akut geworden, nachdem Indiens Oberstes Gericht den Paragrafen mit der gleichen Nummer kürzlich annulliert hat. Wie Indien gehörte Singapur, wo Inder eine wichtige Minderheit bilden, zum britischen Kolonialreich. In dem war Homosexualität „als widernatürlicher Sex“ geächtet.

Rückendeckung erfährt die Gay Community ausgerechnet von dem 80-jährigen hochrangigen Diplomaten Tommy Koh. Der Appell des Sonderberaters des einflussreichen Instituts für politische Studien: „Versucht es erneut mit einer Klage vor dem Obersten Gericht.“

Diese war zuletzt 2014 gescheitert. Für Justizminister Kasiviswanathan Shanmugam kommt die Abschaffung des Paragrafen 377 nicht in Frage. Die konservative Gesellschaft sei noch nicht bereit, so Shanmugam, der die Kirchen und Muslime des Stadtstaates hinter sich weiß.

Singapur ist ein merkwürdiger Ort für Lesben und Schwule

Protestanten und Muslime tönen: Der homosexuelle Lebensstil sei „für Betroffene“ wie für „die Gesellschaft schädlich“. Der katholische Erzbischof William Goh sagt nur Ja zur Entkriminalisierung der Homosexualität, wenn Forderungen wie die nach der Homoehe ein gesetzlicher Riegel vorgeschoben werde.

Singapur ist ein merkwürdiger Ort für Schwule und Lesben. Der Paragraf 377 wird nicht mehr angewendet und das schwul-lesbische Nachtleben ist munter.

Im Juli kamen 20.000 Menschen zum 10. Pink-Dot-Event im Hong Lim Park – darunter der offen schwule Li Huanwu, Enkel von Staatsgründer Lee Kuan Yew und Neffe des amtierenden Premierministers Lee Hsien Loong.

Dass der Rosa Punkt als lokale Version eines Christopher Street Days im ansonsten demofreien Inselstaat überhaupt stattfinden darf, ist so bemerkenswert wie es die rigiden Auflagen sind: Politische Forderungen sind tabu, Ausländern ist die Teilnahme und internationalen Unternehmen wie Facebook und Google seit 2016 das Sponsoring verboten.

Es gibt auch schwul-lesbische Onlinepublikationen wie Dear Straight People (Liebe Heten) von Sean Foo. „Bisher wurde ich von den Behörden nicht behelligt“, sagt Foo. In Dear Straight People erzählt er Lebensgeschichten von Schwulen und Lesben. Die Idee kann dem 27-Jährigen, als er sich gegenüber Freunden outete. „Sie haben viele Fragen gestellt. Mir wurde klar, wie groß das Unwissen über Gays ist.“

Foos Eltern lesen Dear Straight People nicht und verdrängen das Schwulsein ihres Sohnes. „Sie sind konservativ “, sagt Foo über seine materiell gut gestellte Familie. „Wohlstand führt nicht automatisch zu mehr Offenheit.“

Justizminister Shanmugam muss jetzt das Gesetz vor dem Obersten Gericht rechtfertigen. Denn der schwule DJ Johnson Ong ist Tommy Kohs Rat gefolgt und hat Klage eingereicht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.