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Suwaida in Syrien„Hebt die Belagerung auf!“

Wegen bewaffneter Kämpfe ist das syrische Suwaida teil-blockiert, es mangelt an Nahrung und Medikamenten. Wer dafür verantwortlich ist, bleibt unklar.

Eine syrische Beduinin wurde aus Suwaida von der syrischen Regierung evakuiert Foto: Maowia Atrash/dpa

Beirut taz | Be­woh­ne­r*in­nen aus Suwaida im Süden Syriens berichten, dass ihnen die Vorräte ausgehen. Nach dreiwöchigen Kämpfen fehle es an Wasser, Essen und Medikamenten. Videos in den sozialen Medien zeigen eine lange Schlange vor einer Bäckerei. Das Mehl für Brot sei ausgegangen, berichten die Einheimischen. Brunnen seien mutwillig zerstört worden.

Denn seit etwa einer Woche sind die Zugangswege nach Suwaida blockiert. Doch wer für die Blockade verantwortlich ist, darüber gehen die Meinungen auseinander.

Die von politischen Gruppierungen unabhängige syrische Medienplattform Al-Jumhuriya sagt, Regierungstruppen und Stammeskräfte blockierten die Straßen. Die Region stehe unter Belagerung durch die Regierung, berichtet Suwayda24, ein Netzwerk aus Bürgerjournalist*innen. Laut der emiratischen Zeitung The National befürchteten die Be­woh­ne­r*in­nen Angriffe von Beduinenstämmen, wenn sie die Stadt verlassen.

Behörden haben zudem den Zugang zu dem Gebiet stark beschränkt und verlangen eine vorherige Abstimmung für die Ein- und Ausreise.

Kein Zugang zur Stadt

Die Übergangsregierung in Damaskus wiederum sagt, drusische Kämpfer in Suwaida blockierten Hilfslieferung aus Regierungsgebieten. Am Sonntag erklärte ein syrischer Regierungsbeamter, Scheich Hikmat al-Hijri habe allen Einsatzteams aus Damaskus den Zutritt zur Stadt verweigert. Al-Hijri ist einer der drei führenden drusischen Geistlichen in Suwaida.

Al-Hijri setzt sich dafür ein, dass die drusische Bevölkerung eigene Truppen behalten kann. Diese hatten früher unter anderem gegen die Terrorgruppe „Islamischer Staat“ gekämpft. Die neue Regierung möchte mit allen Mitteln die militärische Kontrolle über das Gebiet erlangen.

Am Montag protestierten Hunderte Menschen in der Stadt und in den umliegenden Orten gegen die Blockade. Fotos in den sozialen Medien zeigen Kinder mit Schildern, auf denen steht „Hebt die Belagerung auf“. „Suwaida verhungert, kein Essen, kein Wasser, kein Gas“, heißt es auf einem anderen. Die Protestierenden prangern die Verbrechen an, die während der Regierungsoffensive verübt wurden. Sie fordern die Aufhebung der Belagerung und internationalen Schutz.

Ein Hilfskonvoi, organisiert vom UN-Flüchtlingswerk ­UNHCR und dem Syrischen Arabischen Roten Halbmond (SARC), erreichte Montagmittag Suwaida. 27 Lastwagen lieferten 200 Tonnen Mehl und mindestens 1.000 Essenspakete. Der Syrische Rote Halbmond richtete für Menschen in Suwaida, die evakuiert werden möchten, eine Hotline ein. UNHCR-Teams seien vor Ort und kümmerten sich um Vertriebene.

Berichte von Medien und Au­gen­zeu­g*­in­nen deuten darauf hin, dass mit der Regierung affiliierte Kämpfer an Tötungen der Bevölkerung beteiligt waren.

„Zu den Tätern zählen Angehörige der Sicherheitskräfte“

Dem UN-Menschenrechtsbüro lägen Berichte vor, die Menschenrechtsverletzungen dokumentieren, sagte der UN-Sondergesandte für Syrien, Geir Pedersen, dem UN-Sicherheitsrat am Montag. Menschen seien willkürlich getötet, gedemütigt und entführt worden.

„Zu den Tätern zählen Angehörige der Sicherheitskräfte und mit den Behörden verbundene Personen sowie andere bewaffnete Gruppen aus der Region, darunter Drusen und Beduinen“, so Pedersen.

Seit dem Beginn der Kämpfe am 12. Juni in und um Suwaida wurden laut der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte mehr als 500 drusische Kämpfer aus dem Gebiet getötet, über 400 Re­gie­rungs­sol­da­ten sowie mindestens 145 Zivilist*innen.

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