Sven de Vries' Leitschaf Erika ist tot: Ein ganz besonderes Schaf

Der Wanderschäfer Sven de Vries ist eine Twitter-Bekanntheit. Jetzt trauert er um sein Leitschaf Erika: „Mach’s gut, Alte. Es war mir eine Ehre.“

Zwei Männer stehen mit einem Schaf vor dem baden-württembergischen Landtag

Die Nähe zum Menschen machte Erika zum Leitschaf Foto: dpa

BERLIN taz | Für einen Schäfer gehört der Tod zur Herde. Schafe sterben bei Unfällen, sie brechen sich die Beine, permanent werden Lämmer zum Schlachter gegeben. Aber manchmal stirbt ein ganz besonderes Schaf, so eines wie Erika. „Mach’s gut Alte. Ich bin sehr stolz dich dabei gehabt zu haben und es war mir eine Ehre“, schrieb der Schäfer Sven de Vries vergangene Woche auf Twitter. Er habe ein Tränchen vergossen, sagt er heute.

Bei einem Telefonat mit de Vries keimt schnell diese Sehnsucht auf nach Ruhe, nach unmittelbarer Natur. Und da steht die Frage, warum der Respekt davor so schwerfällt. Ja, de Vries lässt Lämmer schlachten, sie sind dann neun bis zwölf Monate alt und von ihrer Mutter meist entwöhnt. Seine Herde aus 750 Tieren würde sonst zu groß. Aber es ist ein Schlachten jenseits der entgrenzten Fleischfabriken. „Mir tut das jedes Mal wirklich sehr leid, aber all das gehört eben zu meinem Beruf dazu. Man lernt, damit umzugehen“, sagt er.

Vom Fleisch und den Fördergeldern zum Erhalt der Wachholderheiden auf der Schwäbischen Alb lebt de Vries hauptsächlich. Er zieht mit seinen 750 Tieren gerade über die Weiden in Ehingen an der Donau und schläft in seinem Bauwagen. Wanderschäfer wie er erhalten mit ihren Herden wichtige Heidelandschaften. „Der Alltag ist harte, anstrengende Arbeit, aber die Umgebung hier, die ist schon wahnsinnig schön“, sagt de Vries. Er arbeitet siebzig Stunden die Woche, ist Arzt und Hebamme für seine Tiere. Er twittert über sein Leben als Schäfer, das macht ihn zu einer kleinen Berühmtheit.

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Erika hatte als Lamm kaum eine Chance zu überleben. Ein Zweitgeborenes war sie, klein wie ein Handteller. Eine Praktikantin zog Erika mit der Flasche groß, de Vries schenkte der Helferin später ein Bild von sich und Erika im Landtag von Stuttgart. Dort demonstrierten 2018 Schaf und Schäfer für die Einführung einer deutschlandweiten Weidetierprämie, de Vries startete eine Online-Petition, die Bundesregierung lehnte die Reform später ab. De Vries sagt, die wirtschaftliche Situation vieler Schäfer sei schlecht, in Baden-Württemberg liege der Stundenlohn im Schnitt bei fünf, sechs Euro. Neue Zahlen aus Bayern zeigten, dass dort 2018 10 Prozent der Betriebe aufgaben.

Den Rest der Herde motivieren

Die Nähe zum Menschen machte Erika zum Leitschaf. Das sind Tiere, die ein besonderes Vertrauensverhältnis zu ihrem Schäfer haben. Er müsse viele Straßen überqueren, durch Orte und Städte ziehen, sagt de Vries. „Wenn man Schafe hat, die ein besonderes Vertrauensverhältnis zu mir haben, dann laufen sie mir auch hinterher, wenn sie Angst haben“, sagt er. Also wenn etwa ein Autofahrer ärgerlich hupt, dann folgen sie weiter dem Schäfer, das motiviert den Rest der Herde.

Erika wurde nur sechs Jahre alt. Vermutlich fraß sie zu viel schlecht Verdauliches. Das Staatlich Tierärztliche Untersuchungsamt Aulendorf sucht noch die genauen Ursachen. Erika brachte zwei Lämmer zur Welt, eines ist heute erwachsen und lebt mit der Herde. Anzeichen von Trauer über den Tod der Mutter zeigte es bisher nicht.

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