Swift-Abkommen abgelehnt: Keine Bankdaten an die USA

Mit 378 gegen 196 Stimmen hat das Europaparlament das umstrittene Swift-Abkommen zur Weitergabe von Bankdaten an die USA abgelehnt.

EU-Innenkommissarin Malmstroem hatte das Abkommen verteidigt. Bild: dpa

BRUESSEL/STRASSBURG afp/dpa/taz/reuters | Trotz massiven Drucks aus den USA und einigen EU-Mitgliedsländern hat das Europaparlament am Donnerstag das Swift-Abkommen zur Weitergabe von Bankdaten an US-Fahnder gekippt. 378 Parlamentarier stimmten gegen Swift, 196 dafür. Zuvor hatte die konservative EVP-Fraktion eine Verschiebung der Abstimmung beantragt, auch dies lehnte das Parlament ab.

Der grüne Europaparlamentarier Jan Philipp Albrecht sprach von "einem großen Tag für Grundrechte und Demokatie in Europa" und einem "Wendepunkt in der internationalen Sicherheitszusammenarbeit". Die Swift-Ablehnung weise "weg vom 'Kampf gegen den Terrorismus', hin zu einer demokratisch kontrollierten EU auf Basis rechtsstaatlicher Prinzipien".

Der FDP-Politiker Alexander Alvaro kommentierte, die EU sei "gegen den Ausverkauf der Bürgerrechte und für mehr Sicherheit der Bürger".

Das Swift-Abkommen sieht die Weitergabe von Bankdaten europäischer Bürger an die USA zur Terrorabwehr vor. Es soll US-Fahndern im Kampf gegen den Terrorismus auch künftig den Zugriff auf die Daten von Millionen europäischer Bankkonten erlauben. Bei Banküberweisungen werden Name, Betrag und Empfänger an die USA gegeben. Diese Daten verwaltet der belgische Finanzdienstleister Swift. Offiziell ist das Abkommen seit 1. Februar für vorerst neun Monate in Kraft, Swift weigert sich aber vor der Entscheidung des EU- Parlaments, Daten weiterzugeben. Die EU-Innenminister hatten das Interims-Abkommen am 30. November gebilligt - einen Tag vor Inkrafttreten des Reformvertrags und damit unter Umgehung des Europaparlaments. Nach Überzeugung vieler Europaabgeordneter und Datenschützer verletzt das sogenannte SWIFT-Abkommen europäische Datenschutzstandards. (dpa/afp)

In den vergangenen Jahren war die Swift-Debatte von einer zivilgesellschaftlichen Lobby, vor allem aus den Kreisen um das Blog netzpolitik.org, begleitet worden. netzpolitik.org-Gründer Markus Beckedahl hat die zivilgesellschaftliche Anti-Swift-Kampagne entscheidend vorangetrieben und ist nach der heutigen Abstimmung sehr zufrieden. "Sieg! SWIFT-Abkommen ist von EU-Parlament abgelehnt worden!" twitterte er. Beckedahl sieht die heutige Abstimmung auch als Ergebnis der "engagierten Arbeit vieler Blogger und Aktivisten", die sich "an den Protesten beteiligt und EU-Abgeordnete im Vorfeld kontaktiert" hätten.

Auch Hamburgs Justizsenator Till Steffen (Grüne) hat das Aus für das Swift-Abkommen zur Weitergabe von Bankdaten an die USA als "einen guten Tag für den Datenschutz und die europäische Demokratie" bezeichnet und noch einmal deutlich gemacht, dass "die Zeit der Hinterzimmerpolitik der Staats- und Regierungschefs endlich vorbei sein" müsse.

Die Parlamentarier waren in der vergangenen Woche vor allem von den USA stark unter Druck gesetzt worden. Unter anderem schrieben Außenministerin Hillary Clinton und Finanzminister Timothy Geithner an Parlamentspräsident Jerzy Buzek. Auch Spanien (EU-Ratsvorsitz) sowie die EU-Kommission hatten in der vergangenen Woche massiv für die Vereinbarung zur Weitergabe von Daten europäischer Bankkunden an US-Terrorfahnder geworben.

Der Innenausschuss des Europaparlamentes hatte dem Plenum vor einer Woche empfohlen, die Vereinbarung zu kippen. Obwohl die Ablehnungsfront abgebröckelt war, hatte sich sich nach wie vor eine knappe Mehrheit gegen das Abkommen abgezeichnet.

Das Europaparlament macht mit diesem Votum erstmals von seinem Mitspracherecht bei allen Verträgen der EU mit Drittstaaten Gebrauch. Dieses Recht ist im EU-Reformvertrag von Lissabon verankert, der seit 1. Dezember gilt.

Offen war, ob es wirklich zu einer Entscheidung des Parlaments kommen würde, da die konservativ-christdemokratische EVP-Fraktion eine Verschiebung der Abstimmung beantragt hatte. Dies war vom Parlament ebenfalls abgelehnt worden.

Die EVP-Fraktion war sich nicht einig, ihre deutschen CDU/CSU-Mitglieder neigten noch vor den Abstimmungen zu einem Nein. "Nach meinen Erfahrungen muss man bei Verhandlungen mit Amerikanern bis zum Schluss knallhart bleiben. Wenn man ihnen den kleinen Finger reicht, steht man bald mit einem amputierten Arm da", hatte der CSU-Abgeordnete Markus Ferber gesagt. Nach den Worten der Christdemokraten hatten sie die Abstimmung verschieben wollen, um das Gesprächsangebot der amerikanischen Regierung aufzugreifen, sagte der Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe, Werner Langen.

Am Mittwoch hatte der spanische Innenminister Alfredo Pérez Rubalcaba im Europaparlament noch gesagt, ohne das Abkommen gäbe es weniger Sicherheit für die europäischen Bürger: "Wenn Sie dieses Abkommen ablehnen, werden wir alle etwas weniger sicher leben", warnte Rubalcaba. Rubalcaba verwies auch darauf, dass die Polizei nach den Anschlägen von 2004 in Madrid Swift-Daten nutzte. Auch seien mithilfe von Swift-Daten Attentate in den USA verhindert worden.

Auch die neue EU-Kommissarin für Innen- und Justizpolitik, Cecilia Malmström hatte das Abkommen verteidigt. Es gebe detaillierte Vorgaben für die Verwendung der Daten. Diese dürften im übrigen nur bei "begründetem Verdacht" an die USA geliefert werden. Insgesamt werde nur ein "sehr kleiner Bruchteil" der Daten des Finanzdienstleisters SWIFT mit Sitz in Belgien übermittelt. Wie zuvor Rubalcaba räumte auch Malmström ein, dass die fragliche Vereinbarung nicht die "bestmögliche" sei. Die geplante definitive Vereinbarung solle besser werden.

Swift-Kritiker monieren, dass die Vereinbarung den europäischen Datenschutz verletzt und Bürger keine Möglichkeit haben, vor Gericht gegen den Missbrauch ihrer Daten zu klagen. Zudem habe das Parlament zu wenig Mitspracherechte gehabt. Sozialisten, Grüne und Liberale hielten weiter an ihrer Ablehnung fest.

"So weit meine Fraktion betroffen ist, werde ich die Ablehnung empfehlen", hatte der sozialdemokratische Fraktionschef Martin Schulz vor der Abstimmung gesagt. Die SPD-Abgeordnete Birgit Sippel nannte die Stimmungsmache der USA zur Rettung des Interimsabkommens übertrieben. "Swift ist kein unersetzliches Instrument."

Die Swift-Gegner im Parlament planen nach dem Scheitern der Vereinbarung im Europaparlament innerhalb weniger Wochen mit den USA ein langfristiges Abkommen aushandeln, das europäische Datenschutzstandards enthält.

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