Synthetische Biologie: Künstliche Qualle mit Rattengenom

Forscher haben aus Silikon und den Herzmuskelzellen einer Ratte eine künstliche Qualle erschaffen. Sie schwimmt wie ihr natürliches Vorbild im Wasser. Das ist etwas gruselig.

Kaum von einer echten Qualle zu unterscheiden: Das Laborkonstrukt mit den Rattenzellen. Bild: Caltech and Harvard University

LONDON dapd/taz | Einem Forscherteam aus den USA ist es gelungen eine verblüffend realistische Imitation einer Qualle nachzubauen. Die künstlich geschaffene Struktur kann selbstständig durch das Wasser schwimmen und ähnelt in ihren Bewegungen einer Quallenmeduse. Der Nachbau eines der ältesten Tiere der Erde besteht lediglich aus einem quallenförmigen Silikonkörper, in den lebende Herzmuskelzellen einer Ratte eingelassen sind.

Die Muskelzellen ziehen sich wie im Herzen spontan rhythmisch zusammen und katapultieren die Kunstqualle so durch das Wasser. Die Bewegungen dieser Qualle ähnelten verblüffend denen von echten Jungquallen, berichten die Forscher im Fachmagazin Nature Biotechnology.

Das zeige, dass es grundsätzlich möglich sei, bestimmte Konstruktionsprinzipien der Natur mit wenig Aufwand technisch nachzubauen. Das bei der Qualle verwendete Prinzip könne man auch für die Herstellung künstlicher menschlicher Organe einsetzen. Dabei sei es entscheidend, die Kernfunktion der Organe oder Organismen zu erkennen und dann zu schauen, wie man sie am besten nachbauen könne.

„Quallen repräsentieren einen einzigartigen Testfall für den künstlichen Nachbau von funktionalen Geweben wie dem Herzmuskel“, schreiben Janna Nawroth vom California Institute of Technology in Pasadena und ihre Kollegen. Denn die Qualle sei relativ einfach gebaut, ihre Muskeln funktionierten aber ähnlich wie ein Herz: Sie pumpe mit rhythmischen Muskelkontraktionen Wasser von sich und bewege sich so vorwärts.

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Um die Qualle nachzubauen, analysierten die Forscher zunächst genau, wo deren Muskelzellen liegen und wie sie verknüpft sind. Dann konstruierten sie den flachen, runden Körper der Qualle mit ihren acht lappigen Anhängseln aus transparentem Silikon. Auf diesen Silikonkörper druckten sie ein Proteinmuster als eine Art Schablone.

Herzmuskelzellen einer Ratte

Entlang dieser vorgezeichneten Bahnen wuchsen Herzmuskelzellen von Ratten, die die Forscher dem Konstrukt einimpften. Nach einigen Tagen entstanden so miteinander verbundene Stränge von Muskelzellen, die in alle acht Lappen der Kunstqualle hineinreichten.

Für den entscheidenden Schwimmtest setzten die Forscher ihre Quallenkonstruktion in ein Becken mit Meerwasser. Als Starthilfe gaben sie ihr einen leichten Elektroschock mit einer Frequenz von einem Hertz. Ähnlich wie nach einem Impuls eines Herzschrittmachers begannen die Herzmuskelzellen daraufhin, sich im Sekundentakt rhythmisch und synchronisiert zusammenzuziehen und wieder zu entspannen.

Die Qualle schwamm dadurch durch das Becken und bewegte sich dabei verblüffend ähnlich wie ihr natürliches Vorbild. „Ich war überrascht, dass wir mit nur wenigen Komponenten – Silikon und einigen Zellen – einige ziemlich komplexe Schwimmbewegungen reproduzieren konnten“, sagt Koautor John Dabiri vom California Institute of Technology.

Qualle mit Rattengenom

Die künstliche Qualle ist auch ein Nachweis dafür, was „tissue engineering“ und die Synthetische Biologie heute schon leisten kann. Das schwimmende Konstrukt sieht zwar aus wie eine Qualle ist gentisch aber eine Ratte.

Die Konstruktion der Qualle belege, dass einfache Muskelfunktionen auch mit künstlichem Gewebe konstruiert werden können. Dabei sei es keineswegs immer nötig, tief in die genetische Trickkiste zu greifen. Auch ein festes Gerüst, wie bei vielen bisherigen Versuchen, Herzen aus Zellen zu züchten, sei nicht nötig.

„Unser Design-Algorithmus kann prinzipiell auf jede Art der synthetischen Muskelpumpe angewendet werden“, schreiben Nawroth und ihre Kollegen. Verfolge man diesen Ansatz weiter, könnte in Zukunft die Züchtung künstlicher Organe vereinfacht und vorangetrieben werden.

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