Syriens Präsident steht zunehmend allein da: Leichentuch statt Festtagskleid

Wieder werden in Syrien auf Demonstrationen Menschen erschossen. Auch Verbündete wie die Türkei und sogar der Iran gehen auf Distanz zum Assad-Regime.

Kein Ende der Gewalt in Sicht: Syrerin bei einer Protestdemonstration vor der syrischen Botschaft in der jordanischen Hauptstadt Amman. Bild: reuters

BERLIN taz | Nach dem Morgengebet zum dreitägigen Id al-Fitr, dem Fest zum Ende des muslimischen Fastenmonats Ramadan, besuchen die Angehörigen traditionell die Gräber ihrer verstorbenen Verwandten. Dem Anlass entsprechend sind die Familien festlich gekleidet, die Kinder werden meist ganz neu ausstaffiert.

Doch im Dorf Dael in der syrischen Provinz Daraa , wo vor fünfeinhalb Monaten die Proteste gegen das Regime von Präsident Baschar al-Assad begannen, trugen hunderte Kinder Leichentücher an Stelle der Festbekleidung, als sie an der Spitze eines Demonstrationszugs von der örtlichen Moschee zum Friedhof marschierten.

Dies berichten syrische Oppositions- und Menschenrechtsgruppen im Ausland. In der Provinz Daraa sind die Sicherheitskräfte mit besonderer Brutalität gegen die Bevölkerung vorgegangen, hier gab es deshalb besonders viele Opfer zu beklagen.

Zehntausende Menschen zogen am Morgen des Id al-Fitr in ganz Syrien auf die Straße und forderten den Sturz des Regimes. Laut einer Erklärung des Koordinationskomitees der Proteste wurden bei den Demonstrationen mindestens sieben Menschen getötet, sechs davon in verschiedenen Dörfern in der Provinz Daraa und eine Person in der Stadt Homs im Zentrum des Landes.

In den Vororten der Hauptstadt Damaskus schossen Sicherheitskräfte auf die Demonstrationszüge, wobei nach örtlichen Angaben mehrere Menschen verletzt worden sind. Gewalttätige Auseinandersetzungen wurden auch aus der Stadt Deir as-Sur im Osten des Landes an der Grenze zum Irak gemeldet.

Mehr als 2.200 Tote

Nach Angaben des in London residierenden Komitees zur Beobachtung der Menschenrechte in Syrien waren am Montag, dem letzten Tag des Ramadans, im ganzen Land 17 Personen getötet und Dutzende verwundet worden. Insgesamt sind der UN zufolge bei den Demonstrationen gegen das Regime bislang mehr als 2.200 Zivilisten ums Leben gekommen.

Dabei handelt es sich aber nur um die Opfer, die namentlich identifiziert werden konnten. Völlig unklar ist, wie viele in Massengräbern verscharrt worden sind. Die Zahl der Inhaftierten geht nach Angaben der Widerstandskomitees inzwischen in die Zehntausende.

Das syrische Staatsfernsehen zeigte am Dienstag auch Präsident Baschar al-Assad beim Morgengebet in einer Moschee in Damaskus. Anschließend nahm er gemeinsam mit anderen Gläubigen noch einen Kaffee und etwas Gebäck, bevor er von seiner Leibwache weggezogen wurde.

Ölboykott verhängt

Politisch steht das Regime Assad derzeit isolierter da als je zuvor. Die Europäische Union verabredete am Montag die Verhängung eines Ölboykotts, der zu Beginn der kommenden Woche in Kraft treten soll. Dieser könnte die syrischen Einnahmen an einer empfindlichen Stelle treffen, auch wenn er sich erst mittelfristig auswirken dürfte.

Auch die Türkei ging weiter auf Distanz. Der türkische Premier Recep Tayyip Erdogan warnte Assad davor, dasselbe Schicksal zu erleiden wie die Regime in Tunesien, Ägypten und in Libyen, die sich den "Forderungen nach Demokratie und Freiheit" verwehrt hätten.

Der türkische Präsident Abdullah Gül erklärte sogar, dass die Türkei jedes Vertrauen in das syrische Regime verloren habe: "Wir sind nun an dem Punkt, wo alles zu wenig ist und alles zu spät kommt." Selbst der Außenminister des engsten Verbündeten, des Irans, Ali Akbar Salehi, sagte, dass es legitime Forderungen des Volkes gebe, auf die die Regierungen schnell reagieren sollten.

Der letzte Verbündete

Zurückgewiesen hat die syrische Führung auch einen Aufruf der Arabischen Liga, das Blutvergießen zu beenden und Reformen einzuleiten. Aus Verärgerung über die Haltung der Liga lehnte Syrien den Empfang einer Delegation unter Führung des Generalsekretärs Nabil al-Arabi ab.

Die Haltung der Liga sei "inakzeptabel und voreingenommen", hieß es in Damaskus. Bislang steht nur Russland treu zu seinem langjährigen Verbündeten im Nahen Osten.

Bei einem Besuch in Damaskus erklärte der russische Gesandte Michail Bogdanow, dass sein Land die Reformpläne des syrischen Präsidenten unterstütze und jegliche "äußere Einmischung" ablehne. Gleichwohl fordert auch Moskau von Damaskus ein Ende des Blutvergießens.

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