Syrische Opposition in der Türkei: „Den Rest erledigen wir“

Die Interventionsdebatte verbreitet bei syrischen Exilanten Optimismus. Schon lange fordern sie Unterstützung im Kampf gegen die Regierungstruppen.

Soldaten der syrischen Armee in einem Damaszener Vorort. Bild: dpa

ISTANBUL taz | Noch steht nicht fest, wann der Militärschlag gegen das syrische Regime erfolgt. Auch wer sich daran und in welcher Form beteiligt, ist unklar. Doch sowohl das Regime von Baschar al-Assad als auch seine Gegner gehen fest davon aus, dass es ihn geben wird.

Die Gerüchteküche brodelt. Angeblich haben sich bereits hochrangige Vertreter des Regimes abgesetzt. Assad soll Kommandozentralen aus Damaskus verlegt haben. Bewohner in der Nähe von Militärinstallationen versuchten, sich in Sicherheit zu bringen, berichten Aktivisten.

Unter der syrischen Opposition in Istanbul dagegen herrscht so viel Optimismus wie schon lange nicht mehr. „Assad wird einen hohen Preis für den Giftgaseinsatz zahlen“, sagt Ahmed Kamel, Sprecher des Bündnisses Nationale Koalition (NK). „Wir rechnen mit schweren Schlägen, die mindestens fünfzig Prozent seines militärischen Arsenals zerstören werden.“

Die hohen Erwartungen der Regimegegner sind verständlich. Für sie ist es endlich die Luftunterstützung, die sie seit langem fordern. Aber ein geschwächter Assad hätte immer noch genügend Möglichkeiten, die Zivilbevölkerung in Angst und Schrecken zu versetzen. In Syrien fürchten manche, dass er dann sogar vermehrt Giftgas einsetzen könnte.

Davor warnen auch Experten und fordern einen Regimewechsel. US-Präsident Barack Obama hat das jedoch ausgeschlossen. Das hätten die USA auch der Opposition klar gemacht, sagt Kamel. „Wir hoffen natürlich, dass der Militäreinsatz länger dauert und sie Assad stürzen. Aber sie haben uns gesagt: Das ist nicht unser Ziel.“ Das Ziel sei die Zerstörung der Chemiewaffen sowie womöglich der Scud-Raketen. „Wir profitieren auf jeden Fall“, sagt Kamel. „Das Regime wird geschwächt, den Rest erledigen wir.“

Alarmstimmung bei den Dschihadisten

In Syrien gibt es heute so viele verschiedene Rebellengruppen, dass sich selbst Kenner der Lage nicht einig sind, wie viele es genau sind. Nur eines ist klar: In den vergangenen Monaten haben im Norden des Landes und zum Teil auch in der Umgebung von Damaskus radikale Dschihad-Fraktionen sowie die beiden Al-Qaida-Flügel – der „Islamische Staat im Irak und der Levante“ (Isil) und die Nusra-Front – die Oberhand gewonnen.

Derzeit herrscht unter diesen Alarmstimmung. Sie glauben, dass es die USA nicht nur auf das Assad-Regime, sondern auch auf sie abgesehen haben. Auf einschlägigen Facebook-Seiten und über Twitter verbreiten sie Warnungen, dass es den USA diesmal ernst sei. Der Isil drohte mit Vergeltung und Anschlägen auf westliche Ziele, sollten seine Kämpfer bombardiert werden.

Oppositionssprecher Kamel ist sich sicher, dass dies nicht geschehen wird. Auch Kirk Sowell, Experte für politische Risikoanalysen im jordanischen Amman, glaubt nicht, dass die USA die Extremisten ins Visier nehmen. Paranoid seien sie aber nicht. „Auf lange Sicht sind der Isil und die Nusra-Front eine viel größere Gefahr als Assad“, sagt Sowell. „Es wäre nur logisch, wenn die Amerikaner sie schwächen würden.“

Obwohl die Führung der Freien Syrischen Armee es meist bestreitet, gibt es in vielen Orten enge Kooperationen zwischen den eher gemäßigten Rebellen und den Extremisten. „Luftschläge gegen sie gingen zum jetzigen Zeitpunkt nach hinten los“, sagt Sowell. „Da sie gegen das Regime kämpfen, würden sie nur noch mehr Unterstützung erhalten.“

Der einzige Weg, al-Qaida effektiv zu bekämpfen, sei die Stärkung von gemäßigten Rebellen und der Stämme. Als Vorbild nennt Sowell den Irak, wo es den USA gelang, die Extremisten durch den Aufbau der sogenannten Sahwa zurückzudrängen.

Genau das ist das Problem der geplanten Intervention: Es gibt bisher kein Konzept, wie es danach weitergehen soll. Die geplante Syrienkonferenz ist mal wieder verschoben. „Alles hängt vom Ergebnis der Militärschläge ab“, sagt Kamel.

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