T.C. Boyle stellt sein neues Buch vor: Die One-Man-Show

T. C. Boyle ist für seine literarische Liebe zu Umweltaktivisten, Marihuana und Hippies berühmt geworden. Wenn er die Bühne betritt, ist der Jubel groß.

Liefert eine grandiose Show: T.C. Boyle. Bild: imago / Mario Kühn

BERLIN taz | Der große Saal in der Berliner Volksbühne ist ausverkauft, viele schleppen Tüten vom Bücherstand im Foyer zu ihrem Platz. Sie wollen sich deren Inhalt nach der Lesung signieren lassen, denn in der Einführung heißt es, T. C. Boyle werde gern im Anschluss signieren. Dann aber heißt es, allerdings nur ein Buch pro Fan, da geht ein enttäuschtes Raunen durch den Raum. Schwamm drüber, Boyle betritt die Bühne, und das Gejohle ist groß.

T. C. Boyle, der Popstar T. C. Boyle, der eigentlich Thomas Coraghessan heißt und mit seiner literarischen Liebe zu Umweltaktivisten, Marihuana-Pflanzern, Frauenbewegten und Hippies berühmt geworden ist, mit seinen satirischen, aber stets liebevollen Beschreibungen ihrer spießigen Sucht, alles zu umgehen, was spießig sein könnte – der große T. C. Boyle sieht wirklich so aus, wie er auch auf Fotos aussieht. Diese seltsame Tolle, die die Konsistenz von Zuckerwatte zu haben scheint und längst zum Markenzeichen geworden ist. Ein hellrotes Rod-Stewart-Sakko. Dazu ein schwarzes Tiger-Shirt und Türkiskette.

Man denkt an eine schrullige Figur aus einem Cohen-Film oder auch an einen gescheiterten Philosophieprofessor, der jetzt ein schlecht besuchtes Reisebüro betreibt – allerdings nur so lang, bis T. C. Boyle beginnt zu sprechen, denn dies ist keine Lesung, dies ist von der ersten bis zur letzten Sekunde eine Show.

Let me entertain you: T. C. Boyle, der sich selbst als „geborener Witzbold“ bezeichnet, gibt Binsenweisheiten über die Anstrengungen des Fliegens in einer herzerfrischenden Weise von sich, dass das Publikum gar nicht anders kann, als ihm zu Füßen zu liegen. Er erzählt irgendwas von „angry men“, die es in Amerika so häufig gebe, hier hingegen offenbar gar nicht – und wieder sind alle hocherfreut. Es geht weniger darum, was man erzählt, als darum, wie man es erzählt.

Verbohrter Tierschutz

T. C. Boyle hat die Passage, die er liest, nach genau diesem Kriterium gewählt. Sein neues Buch „Wenn das Schlachten vorbei ist“, um das es heute Abend geht, handelt von einem äußerst unsympathischen Rasta-Träger, der sich auf verbohrte Weise dem Tierschutz auf der Insel Anacapa verschrieben hat. Er kämpft gegen die Naturschützerin Alma Boyd Takesu, der er faschistisches Denken vorwirft, da sie Anacapa von der Rattenseuche befreien will und wieder in das einstige Vogelparadies verwandeln möchte.

Nun wäre die zwiebacktrockene Fragestellung – eine Wissenschaft, die Gott spielt, und ein Denken, das Tiere in „bessere und schlechtere“ einteilt – eher kein Grund, einen Roman zu lesen, der sich diese vorknöpft. Doch wie T. C. Boyle seine Themen in Gold verwandelt – wie er es schafft, den Leser dazu zu bringen, einem dämlichen, selbstgerechten Tierschützer zu folgen, der über Seiten eine Kellnerin beschimpft, weil sein Toast und sein Ei nicht so sind, wie er es mag – dies gehört nun wirklich zum Lustigsten, was die amerikanische Gegenwartsliteratur derzeit kann.

Das Einzige, was an diesem Abend ein wenig langweilig daherkam, das war die Auswahl der hundertprozentig berechenbar literaturbeflissenen Fragen, die Leser der Frankfurter Rundschau, die den Abend mitveranstaltet hatten, vorab stellen durften und die Moderator und Rundschau-Redakteur Martin Scholz verlas. T. C. Boyle holte noch aus der blödesten Frage alles raus. Ein Beispiel. Frage: „Warum finden Ihre Figuren keinen Seelenfrieden?“ Antwort: „Ich habe eine schlechte Nachricht für Sie. Wir leben in einer chaotischen Welt. Es gilt, von unseren Seelen Abschied zu nehmen.“

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