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TKKG ist gekommen, um zu bleibenBesetzung mit Meerblick

Die Bundeswehr fordert in Kiel ein Ex-Militärgelände zurück, auf dem ein Wohnviertel entstehen soll. Die Turbo-Klima-Kampf-Gruppe hat es nun besetzt.

Plattform in den Baum gebaut: Mitglieder der Turbo-Klima-Kampf-Gruppe hoffen, dass sich andere ihrem Protest anschließen Foto: TKKG

Sie kamen in der Nacht, mit Balken und Werkzeug: Mitglieder der Kieler „Turbo Klima-Kampf-Gruppe“, abgekürzt mit TKKG, besetzten am frühen Donnerstagmorgen einen Baum auf dem ehemaligen Gelände des Marinefliegergeschwaders 5 (MFG 5). Sie wollen mit ihrer Aktion ein Zeichen gegen Militarismus setzen und für eine vielfältige Nutzung des Geländes werben.

Die Stadt Kiel möchte hier eigentlich ein neues Wohnviertel bauen. Doch nun erhebt die Bundeswehr wieder Anspruch auf ihre frühere Fläche und hat Verhandlungen angeboten. Ähnliche Debatten laufen bundesweit in Bezug auf frühere Militärstandorte.

Der besetzte Baum steht in einem Wäldchen nahe des Skateparks, der am Rand des MFG-5-Geländes an der Kieler Förde liegt. Die aus Balken gezimmerte Plattform trägt den Namen „Meerblick“, berichtet Karl, ein Sprecher der TKKG. „Weil man von oben auf die Ostsee schaut“.

Kiel plant neuen Stadtteil

Zwei, teilweise drei Personen halten sich seit dem frühen Morgen auf der Plattform auf, weitere sind zur Unterstützung am Boden. „Wir sind gekommen, um zu bleiben“, sagt Karl. Werde die Plattform nicht gewaltsam geräumt, stelle sich die Gruppe auf eine längere Besetzung ein. Die Hoffnung sei, dass sich Menschen aus Kiel den Protesten anschließen. „Bisher gab es schon viele positive Reaktionen von Leuten, die hier vorbeikamen.“

Über das MFG-5-Gelände wird seit Jahren diskutiert. Kiel plant dort einen neuen Stadtteil mit rund 2.250 Wohneinheiten, daneben sollen rund 19 Hektar Gewerbeflächen entstehen. Der Rest des Geländes soll Platz für Wald, Sport und Freizeitaktivitäten bieten.

Allerdings geht die Umsetzung langsam voran. Inzwischen sind in alten Kasernengebäuden Geflüchtete untergebracht, auch die Kieler Bauwagengruppe „Schlagloch“ hat einen Platz auf dem Gelände.

Bundeswehr will ihr Gelände in Kiel zurück

Im Sommer meldete die Bundeswehr erneut Interesse an dem Gelände an, das sie im Jahr 2013 an die Stadt verkauft hatte. Einen konkreten Vorschlag gab es bisher nicht, auch eine Summe für den Rückkauf wurde wohl nicht genannt. Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD) schlug eine mögliche Teilung des 73 Hektar großen Areals vor: ein Teil Bundeswehr, ein Teil Wohnviertel.

Kiel als Stadt gibt sich ein cooles, grünes Image, aber in Wahrheit werden Militär- und Kreuzfahrtinfrastruktur ausgebaut

Karl, TKKG-Sprecher

Ende vergangener Woche wurde es konkreter: Ver­tre­te­r:in­nen von Stadtverwaltung, Bundeswehr und weiteren Bundesbehörden trafen sich zu einem Standortdialog. Es seien „erste Kompromisslinien diskutiert“ worden, heißt es in einer Pressemitteilung der Stadt. Weitere Gespräche sollen in den kommenden Wochen folgen, eine Einigung bis Februar 2026 vorliegen. Die Bundeswehr verweist dabei auf den Bedarf, der aus dem „erheblichen Aufwuchs der Streitkräfte resultiert“.

Für die TKKG-Mitglieder wäre eine Rückkehr der Bundeswehr der falsche Weg. Ganz konkret sei das Wäldchen auf dem Gelände bedroht. Vor allem aber müsse ein ziviler Ort dem Militär weichen, so Sprecher Karl. „In Kiel sind Marine, Rüstungsbetriebe und Werften ohnehin extrem stark – darunter sind Betriebe, die in aktuelle Kriegsgebiete liefern. Kiel als Stadt gibt sich ein cooles, grünes Image, aber in Wahrheit werden Militär- und Kreuzfahrtinfrastruktur ausgebaut.“ Dagegen wolle die Gruppe mit der Aktion auf dem Gelände und der Baumbesetzung protestieren.

Im Lauf des Vormittags kamen sowohl der städtische Sicherheitsdienst als auch die Polizei mehrfach vorbei, unternahmen aber bisher nichts, um die Besetzung zu beenden. Die Stadt könnte als Hausherrin des MFG-5-Geländes eine Räumung beantragen, hat aber bisher keine Schritte eingeleitet. Die Polizei habe die Aktion als politische Versammlung akzeptiert, sagt TKKG-Sprecher Karl.

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