TV-Programm zur deutschen Einheit: Ostalgie auf allen Kanälen

Zum Tag der Deutschen Einheit setzen die Sender auf DDR-Emo-Filme. Nur die Dokumentation "Made in GDR" kommt ohne Rührseligkeiten und Fluchtgeschichten aus.

Jugendliche debattieren im "Filmklub": Die Doku "Made in GDR" erzählt ein Stück DDR-Geschichte. Bild: rbb

Mittwoch ist laut Fernseh-Programmzeitschrift der "Tag der deutschen Einheit", also ein Jahrestag, und nachdem die Jahrestage des Tods von Elvis Presley (etwa ein Dutzend Erinnerungsbeiträge im Fernsehen) und Lady Diana (etwa 20 Erinnerungsbeiträge) schon über einen Monat vorbei sind, ist wieder einmal Zeit für eine Fernseh-Themen-Sonderwoche. Thema diesmal, des Anlasses wegen: die DDR.

Es begann mit Veronica Ferres, überall: Das Poster mit ihrem Foto hing wochenlang in allen Bushaltestellen. Es bewarb den Zweiteiler, in dem sie die Hauptrolle spielte, "Die Frau vom Checkpoint Charlie", und der am Montag nach wochenlangem PR-Terror - es war wirklich Terror - endlich ausgesendet war. Das Thema: Eine Frau wird bei der Flucht aus der DDR von ihren Kindern getrennt und kämpft danach um die Familienzusammenführung. Am Sonntag saß Ferres in Anne Wills Talkshow zum eigentlich ja interessanten Thema "Unrecht vergeht nicht - Der lange Schatten der DDR", um dort in ihrer Rolle als DDR-Expertin, als die sie nun offenbar gilt, weil sie ein Drehbuch zum Thema auswendig gelernt hat, auszusagen, dass die Leute Rotwein trinken sollten, um den intellektuellen Austausch anzuregen.

Am Feiertag selbst läuft in der ARD dann die nächste Ost-West-Komödie, "Heimweh nach drüben". Manche Menschen nennen Filme wie diesen Schmonzette oder Klamotte. Jedenfalls verhält es sich mit dem Film so, dass man selbst dann, wenn man es bis zum Schluss aushält, immer noch nicht gelacht hat. Das Thema: DDR-Bürger Stephan Busemann (Wolfgang Stumph) ist mit Sondergenehmigung auf Reisen. Doch während er weg ist, flüchtet sein Sohn aus der DDR. Stephan hat ihm unwissentlich dabei geholfen und darf daher nicht mehr zurück. Er flüchtet deshalb von West nach Ost, zu seiner Frau. Die flüchtet währenddessen von Ost nach West, zu ihm.

Eigentlich könnte man doch meinen, mit der Ausschlachtung von Fluchtbiographien fürs Fernsehen könnte es jetzt auch mal wieder ein Ende haben, zumindest bis wieder jemand willens ist, einen echten Beitrag zu leisten statt nur auf der Emo-Welle mitzureiten. Die Flucht ist ja zweifellos ein sehr wichtiger Aspekt der DDR-Geschichte. Aber im Fernsehen kann man fast den Eindruck bekommen, es gebe ausschließlich diesen einen Aspekt - alle DDR-BürgerInnen seien rund um die Uhr immer nur geflüchtet.

Sucht man jedoch ein wenig, dann findet man ihn doch noch, den wenig beworbenen, aber guten Film zum Thema: Am Donnerstag, läuft im RBB ein eigenwilliger Dokumentarfilm, der ganz anders funktioniert. "Made in GDR - Alles über meine Freunde" erzählt aus dem Leben von sechs DDR-BürgerInnen, von denen einer - aber eben nur einer - auch geflüchtet ist.

Der Film handelt von der Sendung "Jugendfilmklub", die von 1974 bis 1978 erst sechs-, dann vierwöchentlich im DDR-Fernsehen lief. Jugendliche saßen dort zusammen, alle hatten zuvor einen Spielfilmklassiker gesehen, und diskutierten dann vor Kameras über die Themen des Films und, davon ausgehend, über ihre eigenen Lebensentwürfe. Olaf Kaiser, der Macher des Films, war einer von ihnen. Fast 30 Jahre, nachdem die Sendereihe endete, begab er sich auf die Suche nach einigen anderen Mitgliedern des "Jugendfilmklubs", seinen Freunden von einst. So sammelte er Geschichten von DDR-Bürgern, und man bekommt eine viel differenziertere Idee davon, was die DDR bedeutete, als wenn Veronica Ferres irgendwo durch die Gegend heult.

In "Made in GDR" findet tatsächlich eine Auseinandersetzung statt. Von seinem Freund Dirk, an Aids gestorben, findet Kaiser nur noch einen Grabstein. Marian findet er in Lateinamerika, wohin er ihm Stasiunterlagen mitbringt. Christine ist Großmutter und etwa zur gleichen Zeit noch einmal Mutter geworden. Dieter hat zum Glauben gefunden und wollte nichts anderes als mit seiner eigenen Familie leben. Stefan, 1985 nach Westdeutschland geflüchtet, spricht über seine Herkunft und seine politischen Überzeugungen und sagt, er hasse wegen des billigen Papiers selbst Bücher aus der DDR, die nie seine Heimat gewesen sei. Olaf Kaiser selbst, der Filmemacher, der auch seine eigene Geschichte erzählt, hält im Gespräch mit ihm dagegen: Er selbst bezeichne sich durchaus als ostdeutsch.

Der Film gibt eine Idee davon, dass das Private nicht nur dann politisch ist, wenn es um eine aus politischen Gründen getrennte Familie geht. Dass die Gesellschaft der DDR nicht nur politische Prozesse anstieß, sondern auch kulturelle. Und dass das Merkmal "ostdeutsch" nicht der einzige Baustein der Post-Wende-Identitäten ehemaliger DDR-BürgerInnen ist, wenn auch für einige ein wichtiger. Es ist ein Film aus der Mikro-, nicht der Makroperspektive. Der Name Honecker fällt kein einziges Mal, das Wort Mauer auch nicht. Politisch ist der Film trotzdem. "Made in GDR" ist der Beitrag, der einen mit der Themenwoche DDR fast versöhnt.

"Heimweh nach drüben", Mittwoch, 3.10., 20.15 Uhr, ARD

"Made in GDR", Donnerstag, 4.10., 23.20 Uhr, RBB

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