Taliban-Angriff auf Schule: Mehr als 100 Tote in Pakistan

Sie stürmten eine Schule und nahmen Hunderte Menschen als Geiseln: In Pakistan liefern sich Taliban Kämpfe mit der Armee. Mindestens 130 Menschen sterben.

Zwei der geretteten Kinder werden von einem Sicherheitsbeamten von der Straße nahe der Schule in Peshawar eskortiert. Bild: dpa

ISLAMABAD afp/rtr | Bei einem der blutigsten Taliban-Angriffe der vergangenen Jahre in Pakistan sind in einer Schule mindestens 130 Menschen getötet worden, die meisten davon Kinder. Mindestens fünf radikalislamische Kämpfer stürmten am Morgen den Schulkomplex im nordwestlichen Peshawar. Zu dem Zeitpunkt befanden sich nach Angaben der Sicherheitsbehörden hunderte Kinder und Lehrer dort. Die meisten konnten laut Armee im Laufe der Gefechte in Sicherheit gebracht werden.

Etwa 130 weitere Menschen wurden bei der Attacke auf die vom Militär betriebene Schule verletzt, wie der Informationsminister der Provinz Khyber-Pakhtunkhwa, Mushtaq Ghani, mitteilte. Der Angriff begann gegen 10.30 Uhr (Ortszeit), als fünf oder sechs Rebellen auf das Gelände vordrangen. Am Nachmittag dauerten die Kämpfe weiter an. Die Situation in der Schule war unklar und die Berichte von dort waren teilweise widersprüchlich.

Augenzeugen berichteten von einer riesigen Explosion. Die Angreifer seien von Klassenzimmer zu Klassenzimmer gestürmt und hätten auf Schüler und Lehrer geschossen. Etwa fünfeinhalb Stunden später waren fünf Angreifer tot, wie Armeesprecher Asim Bajwa sagte. Laut Provinzgouverneur Pervez Khattak tötete sich einer der Rebellen selbst durch eine Bombe. Demnach trugen die Islamisten Uniformen der paramilitärischen Grenzschützer.

Zu Beginn der Attacke sollen sich rund 500 Schüler auf dem Gelände befunden haben, die meisten davon zwischen zehn und 20 Jahre alt. Es war unklar, wie viele sich noch in der Gewalt der Angreifer befanden. Daher wurde ein weiterer Anstieg der Opferzahlen befürchtet. Vor dem Krankenhaus in Peshawar spielten sich dramatische Szenen ab. Verzweifelte Eltern warteten auf Neuigkeiten über das Schicksal ihrer Kinder, während zahlreiche verletzte Schüler eingeliefert wurden.

„Erst schossen sie in die Luft, dann töteten sie Schüler“

„Ein Arzt der Armee war bei uns, um uns etwas über Erste Hilfe beizubringen, als die Angreifer von hinten in unsere Schule kamen und losfeuerten“, sagte ein Schüler dem Fernsehen. „Unsere Lehrer schlossen die Tür ab, und wir haben uns auf die Erde gelegt. Aber sie (die Extremisten) haben die Tür aufgebrochen. Erst schossen sie in die Luft, dann begannen sie, Schüler zu töten. Plötzlich verließen sie den Raum.“

Zu dem Anschlag bekannte sich die Rebellenbewegung Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP). Die Attacke sei die Rache für eine im Juni gestartete Militäroffensive in den Stammesgebieten, erklärte Taliban-Sprecher Muhammad Khurasani. Die Angreifer hätten den Auftrag gehabt, gezielt ältere Schüler zu töten, aber keine Kinder. Die Schule sei als Angriffsziel gewählt worden, da „Nachforschungen“ ergeben hätten, dass sie von den Kindern mehrerer ranghoher Militärangehöriger besucht werde.

Die pakistanische Taliban kämpfen gegen die Regierung und für einen muslimischen Gottesstaat. Sie haben in den nördlichen Regionen des Landes ihr Rückzugsgebiet. Die Armee führt dort seit Monaten eine Offensive gegen die Extremisten. Bislang war sie aber nicht in der Lage, sie entscheidend zu schwächen. Auch die USA greifen mit unbemannten Flugzeugen, sogenannten Drohnen, immer wieder Unterschlüpfe der Taliban im Grenzgebiet zwischen Pakistan und Afghanistan an. Diese reagierte darauf mit Anschlägen auf Militäreinrichtungen und Flughäfen. Attentate auf rein zivile Ziele sind relativ selten.

„Dies ist der Verlust der Nation“

Pakistans Premierminister Nawaz Sharif sprach von einer „von Wilden entfesselten nationalen Tragödie“. „Dies waren meine Kinder. Dies ist mein Verlust. Dies ist der Verlust der Nation“, erklärte Sharif.

Auch das benachbarte Indien verurteilte den Angriff. Innenminister Rajnath Singh twitterte, die „heimtückische und unmenschliche“ Attacke in Peschawar zeige „das wahre Gesicht des Terrorismus“. Sein Herz gehöre den Familien der getöteten Kinder.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) erklärte in Berlin, „die Geiselnahme und Ermordung von Kindern übertrifft in ihrer grausamen Feigheit alles, was das seit Jahren von Terror und Gewalt heimgesuchte Pakistan bisher kannte“.

Der pakistanische Sicherheitsexperte Talat Masood wertete den Anschlag als Versuch, die Armee zu schwächen. Die Rebellen griffen sogenannte weiche Ziele an, bei denen mit verhältnismäßig geringem Aufwand ein vor allem psychologisch starker Effekt erreicht werden könne. Bei der Armeeoffensive gegen Rebellenhochburgen vor allem in Nord-Waziristan wurden seit Juni mehr als 1600 Rebellen getötet, wie aus einer afp-Zählung auf Grundlage von Militärmitteilungen hervorgeht.

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