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Tame Impala Album „Deadbeat“Im Outback ist der Flow flöten gegangen

Kevin Parker hat für Dua Lipa produziert und für „Barbie“ komponiert. Bei seiner Band Tame Impala treibt er aber seltsame Dinge. Ist das schon Identitätskrise?

Hat zuletzt auf verstrahlten Outdoor-Events aufgelegt: Kevin Parker Foto: Sony

Ein leichtes Rauschen, ein kurzer Probeakkord auf dem Klavier, als hätte jemand im Studio zu früh die Aufnahme gestartet. Dann fängt Kevin Parker über dem lange gleichbleibenden gebrochenen Klavierakkord mit seiner charakteristischen Kopfstimme an zu singen: „So here I am once again“.

Ja, nach fünf Jahren ist er wieder da, mit einem neuen Tame-Impala-Album: „Deadbeat“. Zwar hat Parker seine Fans nach seinem letzten Album „The Slow Rush“ immer wieder vertrösten müssen, doch auch wenn „Deadbeat“ soviel wie Versager, Faulpelz oder Gammler heißt, eine verkrachte Existenz ist der Musiker deshalb noch lange nicht.

Die lange Kunstpause lag wohl eher daran, dass er zwischendurch unter anderem noch Dua Lipas Studioalbum „Radical Optimism“ mitkomponiert und -produziert hat. Und den Song „Journey to the Real World“ zum Soundtrack des supererfolgreichen Barbie-Films von Greta Gerwig beisteuerte.

Tame Impala besteht aus Kevin Parker

Nun ist der Multiinstrumentalist aus Australien aber wieder mit seinem eigenen Musikprojekt Tame Impala am Start. Bei Konzerten auf der Bühne lässt er sich zwar von seiner Band begleiten, aber eigentlich besteht Tame Impala nur aus ihm als Solisten. Sein fünftes Album beginnt intim, nachdenklich.

Das Album

Tame Impala: „Deadbeat“ (Columbia/Sony)

Doch die Lo-Fi-Vibes sind schnell vorbei, spätestens beim Refrain, wenn ein 4-to-the-floor-Beat einsetzt, wird klar: Diese Musik liefert nicht den Rock ’n’ Roll, den der erste Songtitel vermuten lässt. Denn sie ist alles andere als „Back into my old ways again“. Und auch nicht der charakteristische Psychedelic Rock, den man von Tame Impala bislang gewohnt ist.

Mit „Deadbeat“ lässt Parker jedwede psychedelischen Anklänge aus den Tame-Impala-Anfängen von vor fast 20 Jahren endgültig hinter sich. Sowie alles Dream-poppige, Rockistische und Indiehafte. Stattdessen gibt es nun zwölf Tracks mit EDM, Disco und Techno.

Ziemlich verstrahlte Outdoor Events

Der Sound soll die Hörerin in die Raveszene im Outback Australiens entführen, zu den sogenannten „Bush Doof“-Partys – ziemlich verstrahlte Outdoor-Events, bei denen Parker selbst in den vergangenen Jahren immer mal wieder als DJ auflegte. Entlegene Orte sind das, an denen sich die Oz-Außenseiter treffen und ihre Selbstzweifel im Drogenrausch wegzutanzen versuchen.

Es geht wohl auch bei Tame Impala um Identitätskrisen, nicht nur musikalisch. Parker – der vermutlich kein einfaches Verhältnis zu seinem Vater hatte – ist inzwischen selbst Vater geworden. Auf dem Cover zeigt er sich mit seiner Tocher Page. Geht es vielleicht darum, ob er ein guter Vater ist? Das bleibt ungeklärt. Der unaufgeregte, eher gewöhnliche Popsong „Loser“ steht exemplarisch für die Gemütslage des ganzen Albums: düster, fast schon depressiv im Songtext, generisch, einfallslos in puncto Rhythmik und Melodie.

Man kann nicht sagen, dass die Beats schlecht wären. Im Gegenteil, „Oblivion“ und „Not My World“ zum Beispiel liefern fein produzierte, chillige Downbeat-Sounds, die man sich tatsächlich bei einem guten DJ-Set im Outback zwischen Gürteltieren und Tasmanischen Teufeln vorstellen kann. Oder zu einer fetten Lunte beim Runterkommen auf der Couch.

Ausflug in die Techno-Wildnis

Wer allerdings zu benebelt ist, dem entgeht, dass Drummachine und Bassline eigentlich über Minuten kaum für Dynamik und Variationen sorgen. Auch der düster pluckernde Beat von „Ethereal connection“ eignet sich höchstens für die ganz späte verstrahlte Stunde und ist vermutlich das Highlight von Tame Impalas Ausflug in die Techno-Wildnis.

Es ist nicht zu überhören, der 39-Jährige beherrscht sein Handwerk, auch beim elektronischen Abmischen von Rhythmen und Flächen wirkt es filigran. Trotzdem klingt alles etwas träge und verworren, eine Klangtapete, miteinander verwoben durch den immer wiederkehrenden Melodiebogen des Klaviers.

Und immer wieder die Frage: Diese Melodie, die kenn ich doch? Mal sind es die 70er Jahre, mal ganz klare Synthesizer-Vibes aus den 1980ern, bei „Obsolete“ beispielsweise. Die Michael-Jackson-Anspielung von „Dracula“ und das musikalische „Thriller“-Zitat bei „Afterthought“ sind wahrscheinlich noch am offensichtlichsten.

Insgesamt lässt Parker verschiedenste Hooklines kurz aufblitzen, die sich in unser kollektives Gedächtnis eingebrannt haben und die die Hörerin doch nicht so richtig zuordnen soll. Diese Verschleierungstaktik hat Kevin Parker auch schon bei seinen früheren Alben angewandt, doch diesmal fehlt leider oft die exzentrische Ader, der Punch, um wirklich knackige Überraschungsmomente zu kreieren.

Konsum-Soundtrack in einer Secondhandboutique

In die „Deadbeat“-Songs mischt sich mal Mainstream-Pop, mal tanzbarer Disco-Sound, gefolgt von Downbeat und treibendem Techno. Die Weltabgewandtheit des australischen Outback-Raves wird dabei auch spürbar, doch manch ein Track geht vom Vibe eher Richtung Konsum-Soundtrack in einer Secondhandboutique. Oft legt Parker dabei – und da bleibt er sich auch treu – Schicht für Schicht einzelne Soundspuren übereinander: Bassdrum, Eggshaker, Synthesizer-Chords, Gesang.

Es bleiben gut produzierte Drumspuren, Basslines, Soundeffekte, Klavierklänge, aber zu oft tendieren sie zum porentief Reinen und Überproduzierten, manchmal gar nicht enden Wollenden, obwohl sie sich nicht entwickeln. Auch der gelegentliche Versuch, die Hörerin durch Low-Fi-Einschübe abzuholen, passt nicht recht zusammen mit den düsteren elektronischen Beats.

Und wenn man dann doch in den Flow kommt, wird dieser mitten im Song durch ein Zwischenspiel aus Dialog und balladeskem Gesäusel mit Vocoder unterbrochen, so killt Parker den seltsamen Bush-Doof-Vibe. Eigentlich habe er ein richtiges Techno-Album raushauen wollen, gesteht Tame Impala in einem Podcast. Das wäre als Album vielleicht das bessere Konzept gewesen.

Der lupenreine Technotrack „Ethereal Connection“ ist jedenfalls einsamer Höhepunkt des neuen Albums. „End of Summer“, das Finale, steht vielleicht exemplarisch dafür, was aus dem Rest von „Deadbeat“ hätte werden können; der geile Wumms wird mitten im Song zerstört durch Ambient-Gewaber, irgendwann folgt dann wieder Unz Unz Unz, aber der Flow ist flöten gegangen.

Zu klinisch reiner Sound auf dem Album

Eine gelungene Interpretation seiner eingängigsten Lieder „Loser“ und „Dracula“ liefert Tame Impala dagegen unplugged bei einem „Tiny Desk“-Konzert zusammen mit seiner Band. Da passt die Musik plötzlich zum Inhalt, hat mehr Kraft und zudem das Quäntchen Schmutz, das dem klinisch reinen Sound des Albums fehlt.

Tame Impala hat sich mit „Deadbeat“ ausprobiert und gezeigt, was alle schon wissen: Er kann sauber produzieren. Trotzdem bleibt zu hoffen, dass er für sein nächstes Album wieder in seine alten Gewohnheiten zurückfällt.

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