Tarifeinigung an Berliner Hochschulen: An dem Streik lässt sich was studieren

Nach eineinhalb Jahren Arbeitskampf stimmen die studentischen Beschäftigten einem Kompromiss zu. Doch der trägt absurde Züge.

Eingang zu einem Bürogebäude. Über der Tür der Schriftzug "Technische Universität Berlin"

An der TU erhalten die Beschäftigten schon jetzt mehr, als ihre KollegInnen an den anderen Hochschulen Foto: dpa

BERLIN taz | Nach anderthalb Jahren ist einer der langwierigsten Tarifkonflikte der studentischen Beschäftigten an den Berliner Hochschulen nun zu Ende. Gut 66 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder stimmten der Einigung zwischen Tarifkommission und Arbeitgebern in einer Urabstimmung zu. Anderthalb Jahre Arbeitskampf; mehrere Warnstreiks, zuletzt über vier Wochen; Besetzungen und Demonstrationen – und das alles für zunächst 12,30 Euro Lohn in der Stunde. Hat sich dieser Aufwand wirklich gelohnt?

Für die jetzige Generation studentischer Beschäftigter fällt die Beantwortung dieser Frage leicht. Langfristig betrachtet wird die Sache jedoch etwas vertrackter.

Der unmittelbare Lohnanstieg um mehr als 10 Prozent von bisher 10,98 Euro wird sich deutlich bemerkbar machen. Die Garantie weiterer Steigerungen bis zum Jahr 2022 auf 12,96 Euro ist – gemessen an der vorausgegangenen 17-jährigen Stagnation – ebenfalls ein sehr positives Signal für die insgesamt 8.000 Beschäftigten an den Berliner Hochschulen. Und das Versprechen einer künftigen Kopplung der Gehälter an den Tarifvertrag der Länder ist mehr, als die Arbeitgeber noch vor einem Monat auch nur zu verhandeln bereit waren. Insofern ist die Zustimmung von zwei Dritteln der Gewerkschaftsmitglieder an den Hochschulen zum Verhandlungsergebnis mehr als nachvollziehbar.

Immerhin ein Drittel scheint aber noch so unzufrieden gewesen zu sein, dass sie in der Abstimmung vergangene Woche die Bereitschaft zur Fortsetzung des Arbeitskampfes signalisierten. Warum?

Das Land zahlt bereits jetzt mehr

Die ursprüngliche Forderung der Studierenden von 14 Euro wird mit dem Ergebnis deutlich unterboten. Der Abschluss liegt außerdem noch unter den 12,50 Euro, die von der Technischen Universität (TU) bereits jetzt freiwillig gezahlt werden. Die Angestellten dort werden deshalb erst 2021 in den Genuss der ersten Steigerung kommen – sofern die TU nicht erneut einseitig mehr Zuschläge zahlt, um überhaupt noch qualifizierte Studierende für Tutorienstellen und dergleichen gewinnen zu können.

Noch absurder ist eine anderer Aspekt: Schon jetzt zahlt das Land deutlich mehr Geld an die Unis, als diese für die Bezahlung der studentischen Mitarbeiter ausgeben. Streng genommen verweigern sie die Weitergabe von Mitteln. Und diese Summe, die die Unis einbehalten, wird sich durch den Abschluss bis 2022 absehbar noch erhöhen.

Hinzu kommt, dass während des laufenden Tarifkonfliktes einer Studentin der Humboldt-Universität (HU) vom Landesarbeitsgericht bestätigt wurde, dass sie zu ganz regulären Tarifbedingungen beschäftigt werden müsse. Ihre Tätigkeit in einer technischen Abteilung sei kein gewöhnliches studentisches Beschäftigungsverhältnis. Das immerhin schon zweitinstanzliche Urteil hätte, nach vorsichtiger Schätzung, genau so für ein Drittel der studentischen Beschäftigten fallen können: nämlich all jene, die in Verwaltung und technischen Diensten Arbeiten leisten, die sonst von regulären Angestellten erledigt würden. Hier duldet der Senat Lohndumping.

Lob von allen Seiten

Die Anbindung an den im Rest der Hochschule geltenden Tarifvertrag ab 2023 steht außerdem unter einem Finanzierungsvorbehalt. Die Arbeitgeber haben sich für den Fall der Unterausstattung ein Sonderkündigungsrecht ausbedungen. Das lässt die Deutung des GEW-Verhandlungsführers Tom Erdmann, man habe eine „nachhaltige Ankopplung an den Tarifvertrag der Länder durchgesetzt“, als erstaunlich optimistisch erscheinen. Die studentischen Beschäftigten werden weiterhin als Sonderkategorie behandelt, die im Zweifelsfall aus den regulären Tarifbedingungen herausfallen kann.

Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach (SPD) lobt dennoch das „tolle Ergebnis“. Die Gewerkschaften zeigen sich insgesamt zufrieden mit dem Abschluss, ebenso wie Politiker der rot-rot-grünen Koalitionsfraktionen. Offensichtlich kommt ihnen allen das Ende des langen Konflikts gelegen. Ähnlich dürfte es den Studierenden gehen, die kurz vor Semesterende Mitte Juli die streikbedingten Ausfälle in Tutorien, Rechenzentren und Bibliotheken schmerzhaft spüren mussten.

Selbst der fzs als Dachverband der deutschen Studierendenschaften begrüßt das Ergebnis: Schließlich ist Berlin das einzige Bundesland, das überhaupt einen Tarifvertrag für die studentischen Beschäftigten hat. Die Frage, ob sie mit mehr Vertrauen in die eigene Durchsetzungskraft ein besseres Ergebnis hätten erreichen können, bleibt nun unbeantwortet.

Erst in fünf Jahren ist der nächste Arbeitskampf möglich. Er würde dann nicht mehr diese Generation der studentischen Beschäftigten betreffen. Und sollten die Arbeitgeber sich 2023 weigern, den Tarifvertrag wie versprochen an den Tarifvertrag der Länder zu koppeln, befindet sich auch das Abgeordnetenhaus schon lange in der nächsten Wahlperiode. Wer dann mit welchen Prioritäten für die Hochschulverträge, also auch für die Zuweisung der Mittel zur Anhebung der Löhne, zuständig sein wird, vermag heute noch niemand zu sagen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.