Tarifstreit bei den Tageszeitungen: Sorge um die Zukunft

Die Streiks der Redakteure drohen angesichts stockender Verhandlungen weiter zuzunehmen. Die Verleger fordern vor allem Billig-Löhne für junge Journalisten.

Vor dem Eskalieren: der Tarifkonflikt bei den Tageszeitungen. Bild: dpa

Der Sportteil: Fast komplett zusammengeschustert aus spröden Agenturmeldungen. Auf den Bayern- und München-Seiten: keine Glosse, kein Kommentar, keine investigativen Recherchen. Die Süddeutsche Zeitung mag an diesem Donnerstag zwar erschienen sein, wie an jedem anderen Werktag auch, aber ein spannendes Lesevergnügen sieht aus.

Kein Wunder: Rund 150 von 300 SZ-Redakteuren streikten den ganzen Mittwoch. "Mit diesem Zuspruch hatten wir selber nicht gerechnet"“, meint SZ-Betriebsrat und Vertreter der Gewerkschaft Verdi, Ralf Settmacher. "Die Kollegen haben Sorge um die Tageszeitungen." So erschien die größte überregionale Qualitätszeitung des Landes als karge Streikausgabe. Und so wie es derzeit aussieht, könnte das in den kommenden Wochen noch häufiger passieren.

Die Verhandlungen über einen neuen Tarifvertrag für die rund 14.000 deutschen Zeitungsredakteure wurden am Mittwoch ergebnislos abgebrochen. Zu weit gingen die Forderungen von Verlegerverband und Deutschem Journalistenverband und der Gewerkschaft Verdi auseinander. Die Arbeitnehmerseite fordert vier Prozent mehr Gehalt, die Arbeitgeber verlangen eine Streichung des Urlaubsgelds und empfindlich niedrigere Gehälter für Berufsanfänger: ein Minus von insgesamt 15 Prozent für junge Journalisten.

Verleger wollen "schonend" vorgehen

Als "Dumpingtarifvertrag" bezeichnet der Sprecher des Deutschen Journalistenverbands (DJV), Hendrik Zörner, die Pläne der Verleger. "Damit machen sie den Beruf des Zeitungsredakteurs für junge Leute unattraktiv." Ein Universitätsabsolvent, der sich für eine Ausbildung zum Redakteur, also ein Volontariat entscheidet, würde nach den Verleger-Plänen nur noch 1.550 Euro statt bislang rund 2.000 Euro Brutto im Monat verdienen.

"Wir sprechen von einem sehr hohen Niveau, das etwas gesenkt wird", verteidigt der Justitiar des Zeitungsverlegerverbands BDZV, Burkhard Schaffeld, die Verleger-Pläne. "Es ist kein Kahlschlag." Der Tarifvertrag müsse an die schwierige wirtschaftliche Situation vieler Zeitungsverlage angepasst werden. An den bestehenden Verträgen wolle man kaum etwas ändern. "Wie versuchen mit unseren Forderungen so schonend wie möglich vorzugehen", meint Schaffeld.

Die Zeitungsredakteure fürchten jedoch um die Zukunft ihres Berufsstandes. "Wenn kein qualifizierter Nachwuchs nachkommt, sieht es für die Zeitungen zappenduster aus", meint SZ-Betriebsrat Ralf Settmacher. Die Arbeitnehmerseite will den von den Verlegern geplanten parallelen Billig-Tarifvertrag für junge Kollegen auf jeden Fall verhindern.

Bundesweite Streiks möglich

Ihre Furcht: Wenn es den Tarifvertrag für Berufseinsteiger erst einmal gebe, könnte der von den Verlegern genutzt werden, um auch auf die übrigen Redakteure Druck auszuüben, warnt etwa der Verhandlungsführer der Gewerkschaft Verdi, Frank Werneke. "Wir sind davon überzeugt, dass das jetzige Tarifniveau für die Verleger tragbar ist."

Einen neuen Verhandlungstermin zwischen Verlegern und Arbeitnehmerseite gibt es bislang nicht. Die Verleger wollen in der kommenden Woche über ihr weiteres Vorgehen beraten. Bei den Journalisten stehen alle Zeichen auf Streik. Der DJV-Vorstand wird am Montag über weitere Schritte verhandeln. "Eine Option ist der bundesweite Streik", sagt DJV-Sprecher Zörner. "Es gibt einen Beschluss für die Durchführung von Streikmaßnahmen, den werden wir jetzt umsetzen", erklärt Verdi-Verhandlungsführer Werneke und droht den Verlegern mit einem massiven Arbeitskampf, nicht nur durch die Journalisten: "Wir haben mit betrieblichen Aktionen begonnen und werden diese fortführen, zusammen mit den Verlagsangestellten und Druckern."

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