Tarifverhandlung Reinigungsgewerbe: 99 Cent mehr Lohn fürs Putzen

Prekär beschäftigt, unterbezahlt, knallharter Wettbewerb: Die rund 540.000 Gebäudereinigerinnen verlangen mehr Lohn.

Hallo Hungerlöhne: in Ostdeutschland beträgt der Mindestlohn in der Gebäudereinigung 7,65 Euro Brutto in der Stunde. Bild: dpa

BERLIN taz | Auf 7,65 Euro brutto Mindestlohn in der Stunde kann eine Reinigungskraft im Osten derzeit pochen. 9 Euro sind es für ihre Kolleginnen im Westen. Jetzt wollen die rund 540.000 Beschäftigten, fast immer sind es Frauen, die in der ganzen Republik Krankenhäuser, Büros und Supermärkte putzen, einen Zuschlag.

Die Gewerkschaft IG BAU fordert in den Verhandlungen, die heute losgehen, in zwei Stufen mehr Lohn. Für den Westen soll es 70, dann noch einmal 65 Cent mehr Stundenlohn geben. Im Osten sollen es 97 und 99 Cent sein, um die Kluft, die immer noch zwischen den Landesteilen existiert, etwas zu schließen.

Die Forderung nach 15 beziehungsweise 25 Prozent mehr Lohn sei völlig überzogen, sagte Johannes Bungart, Geschäftsführer des Bundesinnungsverbands des Gebäudereiniger-Handwerks, im Vorfeld der Verhandlungen. „Unsere Kunden würden uns ’nach Hause jagen‘, wenn wir eine solche Forderung ansatzweise in Form einer Preiserhöhung vortragen würden.“

Kaum eine Branche ist von so hartem Wettbewerb geprägt wie die Gebäudereinigung. Die meisten gewerblichen Kunden und öffentlichen Einrichtungen haben ihre Reinigungsarbeiten ausgelagert, die Aufträge werden meist alle zwei bis drei Jahre neu ausgeschrieben. Der billigste Anbieter gewinnt – bei fast 80 Prozent Personalkostenanteil geht das zwangsläufig zu Lasten der Beschäftigten. Den Unternehmen gehe es hingegen gut, sagt die IG BAU. Ihre Umsätze seien zwischen 2008 und 2011 von 11,4 auf 11,9 Millionen Euro gestiegen.

2007 wurde der erste Branchenmindestlohn eingeführt. Offiziell wird er eingehalten. Doch in der Praxis häufig dadurch unterlaufen, dass in der gleichen Zeit größere Flächen gereinigt werden müssen. „Die Frauen hängen Arbeitszeit stillschweigend hintendran, keine will den Job verlieren“, sagt Susanne Neumann, die seit 33 Jahren als Reinigungskraft arbeitet. Die meisten Arbeitsverhältnisse sind prekär: Die Hälfte der Beschäftigten arbeitet auf 400-Euro-Minijob-Basis, viele haben nur einen befristeten Vertrag.

Umso erstaunlicher ist im Rückblick immer noch der erste bundesweite Streik, den die Frauen und wenigen Männer, die vor allem als Glas- und Fassadenreiniger arbeiten, im Herbst 2009 lostraten. Die Arbeitgeber waren davon überrumpelt, in der Öffentlichkeit gab es viel Sympathie für die Arbeitsniederlegung. Den Überraschungseffekt gibt es heute nicht mehr. „Aber viele Frauen sind auf Krawall gebürstet“, sagt IG-BAU-Sprecher Ruprecht Hammerschmidt. Verhandlungen sind erst einmal bis Juni geplant.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.