Techno-Demo gegen Gipfeltreffen: Lieber tanz ich als G20

Mehrere Tausend Menschen zogen am Mittwochabend in Hamburg friedlich durch die Straßen. Es gab Konfetti und um Politik ging es auch.

Demonstrantinnen im bunten Nebel

So bunt kann Politik auf der Straße sein Foto: dpa

Wie ein Pirat sieht er aus. Der Mann ist ein Straßenschild hochgeklettert und steht ganz oben auf dem Rand des Schilds. Die tanzende Masse zieht an ihm vorbei. Leute bleiben stehen, machen Fotos, Konfetti und Glitzer liegen auf dem Asphalt. Der Techno gibt den Takt an. Während die Wolken aus der Nebelmaschine aufsteigen, geht die Sonne langsam unter. Gleich um die Ecke steht die Rote Flora.

Vier Stunden zieht am Mittwochabend die Nachttanzdemo durch Hamburg. „Lieber tanz ich als G20“ steht auf vielen Plakaten. Wie viele Leute sind es? Bestimmt mehr als 10.000 Menschen. Die Veranstalter*innen sprechen sogar 25.000. Sicher ist: Je später es wird, desto größer wird die Menge. Weil die Veranstalter*innen sich weigerten, die Demo für den Tag anzumelden, wurde Polizeieinsatzleiter Dudde misstrauisch. Doch dafür gibt es wenig Grund. Die feiernde Masse ist laut, aber friedlich.

Jede abgesperrte Straße, jeder ratternde Helikopter am Himmel, jede angereiste Hundertschaft soll Anlass sein für diese Party. Die Lautsprecher wummern, zwölf Wägen versorgen die Masse mit Bässen. Sie wollen „gegen Grenzen, Gier und gähnende Langeweile“ Stimmung machen, heißt es im Aufruf. Die Polizei fährt schweres Geschütz auf: In der Stresemannstraße warten Wasserwerfer und Räumpanzer. Direkt am Rave hält sie sich aber zurück.

Auch wenn das Spektakel von außen eher wie die Rückkehr der Love Parade aussieht, geht es auch um den bevorstehenden Gipfel. „Wir sind nicht gegen Drogen, wir sind gegen Rassismus“, schallt es von einem Wagen. Die Leute jubeln, die Musik wird wieder lauter. Hinter einem anderen Wagen skandieren die Demonstrant*innen im Takt der Musik „Anti-kapi-talista!“ Das Prinzip lautet: hedonistisch demonstrieren und sich gemeinsam den öffentlichen Raum wieder aneignen.

Schluss und dann die nächste Demo

Völlig ausgelassen tanzen Tausende an der Roten Flora vorbei – dem „Kern der linksautonomen gewaltbereiten Szene“, wie manche Leute in diesen Tagen gerne sagen. Die Masse jubelt der Flora entgegen. Es regnet Konfetti. Die ganze Strecke über stehen Anwohner*innen in den Fenster und fotografieren. Eine Frau sitzt auf dem Fensterbrett und hält einen Besen nach unten, eine Diskokugel hängt daran.

Als um 22 Uhr die Veranstalter*innen die Demo offiziell beenden, ziehen die Feiernden einfach weiter. Die Polizei hält die Menge am Hamburger Gänsemarkt – zwischen Messehallen und Binnenalster – auf. Dann kommt es doch noch einmal zu einem kurzen Gerangel, als Flaschen durch die Luft fliegen. Insgesamt werden sechs Personen am Rande des Demo-Raves zwischenzeitlich festgenommen, wie die Polizei mitteilt.

Am 7. und 8. Juli treffen sich in Hamburg die Staatschefs der größten Industrie- und Schwellenstaaten zum G20-Gipfel. Die taz berichtet dazu in einem laufend aktualisierten Schwerpunkt und ab dem 1. Juli mit täglich 8 Sonderseiten.

Gegen 23 Uhr zieht dann die nächste Demo los. Unter dem Motto „Empört euch, engagiert euch“ gehen Künstler*innen gegen G20 auf die Straße. Auf einem mitfahrenden Lastwagen spielt die Hamburger Hiphop-Band „Beginner“. Hinter dem Leittransparent laufen der Sänger Konstantin Wecker, der Kabarettist Urban Pirol und andere Prominente, die zuvor in der Halle bei einer Sonderausgabe des Literaturfestivals „Lesen ohne Atomstrom – Die erneuerbaren Lesetage“ gelesen hatten und dabei „alle Bürger auf(gefordert hatten), ihre Stadt nicht den G20 zu überlassen“. Mit vorne dabei: die Alternative Nobelpreisträgerin Vandana Shiva.

Die „Welcome to Hell“-Demo am Donnerstagabend wird wohlmöglich lauter, aber bestimmt nicht bunter werden können.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.