„The Rehearsal“ mit Nathan Fielder: Reality Rollenspiele
In „The Rehearsal“ proben Teilnehmer schwierige Situationen im Vorhinein. Fielder selbst macht auch mit – und nimmt dabei Deutschland ins Visier.
In der neuesten Staffel von „The Rehearsal“ des kanadischen Komikers Nathan Fielder wird Deutschland zur Zielscheibe eines Witzes. Die HBO-Serie ist eine Art Reality-Show, die echte Menschen ins Zentrum rückt und Schauspieler einsetzt, um mit diesen Menschen wichtige Momente ihres Lebens zu „proben“ – etwa ein werdender Papa, der sich auf die Vaterschaft vorbereitet.
Der Humor der Serie entspringt Fielders Vorliebe für das Wahre, aber Absurde. Er lotet Grenzen aus, um herauszufinden, wo normale Überzeugungen lächerlich werden und um zu fragen, ob das Lächerliche normal werden kann. In der zweiten Folge versetzt sich Fielder selbst in die Rolle des Normalos, der trainieren muss. In seinem Fall für ein Gespräch mit einem deutschen Streaminganbieter.
Doch zunächst der Hintergrund: Fielder erzählt, dass eine Folge seiner früheren Comedy-Reality-Serie „Nathan For You“ aus dem Jahr 2015 wegen „Sensibilitäten“ aus dem Streamingdienst Paramount+ Deutschland 2023 entfernt wurde. Die sensible Handlung der Folge beginnt damit, dass Fielder erfährt, dass der Hersteller seiner Lieblingsjacke, Taiga, einen Nachruf auf einen Holocaustleugner veröffentlicht habe.
Nachdem Fielder von einem Mitglied seiner Synagoge für die Jacke kritisiert wurde, ermutigte Fielders Vater ihn, eine andere Marke zu tragen. Mit der Begründung, dass man nicht wissen könne, ob andere Outdoor-Bekleidungsmarken den Holocaust leugnen, gründete Fielder – zunächst als Witz – seine eigene Marke, Summit Ice. Ihr Slogan? „LEUGNE NICHTS“. Anschließend tat er sich in der Folge mit einem Rabbiner zusammen, um eine Ladenauslage zu gestalten, die Auschwitz in Miniatur darstellt. Die Auslage wurde schnell wieder entfernt.
Paramount+ Deutschland löschte Folge
Fielder sagt, dass Summit Ice, eine gemeinnützige Organisation, durch den Verkauf ihrer Jacken, Hemden und Mützen Millionen von Dollar eingenommen hat, um Bildungsprogramme zu Intoleranz, Rassismus und Völkermord zu finanzieren.
Wie Fielder in der neueren Folge von „The Rehearsal“ erklärt, entschied sich Paramount+ Deutschland 2023, die Summit Ice-Folge zu entfernen, mit der Begründung, dass „alles, was nach den Angriffen zwischen Israel und der Hamas mit Antisemitismus zu tun hat“, Unbehagen hervorrufe. Nach der Erklärung blendet Fielder eine Karte ein, die an Dokumentationen über den Zweiten Weltkrieg erinnert. In ironischer Anspielung auf den „Lebensraum“ zeigt sie, wie die Entscheidung von Paramount+ Deutschland die Nachbarländer angesteckt habe. „Es dauerte nicht lange, bis sich die Ideologie von Paramount+ Deutschland auf den gesamten Globus ausgebreitet hatte und alle jüdischen Inhalte, die ihnen unangenehm waren, entfernt wurden“, sagt Fielder trocken.
Nun zurück zu seiner eigenen Probe: Fielder beschließt wegen all dem, ein Gespräch mit einem Geschäftsführer von Paramount+ Deutschland zu üben. Er sagt, er müsse sich die Räumlichkeiten vorstellen und beschreibt eine Kulisse aus dem Dritten Reich, in der Nazi-Banner und -Insignien durch das blaue Paramount-Logo ersetzt wurden.
Absurdität kann Wahrheit enthüllen
Zu einem falschen Geschäftsführer in Nazi-Uniform sagt Fielder: „Ich weiß, dass Sie sich wahrscheinlich sehr für das schämen, was Sie in der Vergangenheit getan haben, und dass Sie nun versuchen, dies zu kompensieren, indem Sie weltweit führend im Kampf gegen Antisemitismus sind, aber wenn es um Kunst geht, müssen Sie meiner Meinung nach Ihren Platz kennen und uns Juden uns selbst ausdrücken lassen.“
Der falsche Geschäftsführer antwortet: „Sie wollen unsere Perspektive gar nicht hören – weder die von Paramount+ noch die deutsche“, sagt er. „Sie sind unaufrichtig, ein Mann, der eine Rechnung offen hat und der seine Fernsehsendung nutzt, um uns zu diffamieren, anstatt zu versuchen, uns zu verstehen. „Fielder blickt daraufhin gedankenverloren aus dem Burgfenster. Draußen marschieren Nazi-Soldaten mit blauen Paramount-Armbinden im Stechschritt.
Die taz wandte sich an Paramount+ Deutschland mit der Bitte um eine Stellungnahme und wurde an die US-Zentrale verwiesen. Die US-Zentrale antwortete nicht rechtzeitig. Auf Nachfrage erklärte Paramount+ Deutschland: „Ich kann Ihnen bestätigen: Unsere Büros in Deutschland befinden sich nicht in einem altdeutschen Schloss.:-)“
Fielder ist überzeugt, dass gerade das Absurde eine tiefere Wahrheit enthüllen kann. Da die Folge nun auch hierzulande verfügbar ist, werden wir bald herausfinden, ob die deutschen Zuschauer das ähnlich sehen.
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