Theaterstück in den Sophiensälen: In der Nacht vor der Premiere

Eine Schauspielerin liegt wach und monologisiert: „Curtain Call!“ von Judith Rosmair und Johannes von Matuschka in den Berliner Sophiensälen.

Anna Karenina, bzw. Judith Rosmair. Bild: Sophiensaele/Ebby Koll

Wer weiß, wie autobiografisch das Ganze wirklich ist. Judith Rosmair, jahrelang sehr erfolgreiche Theaterschauspielerin, bis sie die Auszeichnung „Schauspielerin des Jahres 2007“ zum Anlass nahm, etwas mehr in den Hintergrund zu rücken, hat dieses Ein-bis-zwei-Personen-Stück, das am Dienstagabend im kleineren „Hochzeitssaal“ in den Sophiensälen Premiere feierte, selbst konzipiert, zusammen mit dem jungen Regisseur Johannes von Matuschka und dem Musiker Uwe Dierksen.

Sie spielt darin eine Schauspielerin in der Nacht vor der Premiere. Sie kann nicht schlafen. Ihre Rolle ist die der Anna Karenina, was natürlich keine genuine Theaterrolle ist, sondern die Hauptfigur aus dem gleichnamigen Roman von Leo Tolstoi.

Aber nicht nur das. „Anna Karenina“ ist auch das Buch, das sie am meisten mit ihrer Mutter verbindet – die hat ihr daraus vorgelesen, als die Schauspielerin noch ein Kind war. Viel Zeit, das Buch gemeinsam zu Ende zu lesen, blieb allerdings nicht mehr. Die Mutter sollte, was man auch erst nach und nach erfährt, nicht mehr lange zu leben haben.

Was folgt, ist ein ausufernder Monolog mit musikalischen Störelementen. Die Rosmair liegt, springt, lacht, singt auch mal, zieht sich um, setzt sich in Szene; das Thema ist einerseits die Schlaflosigkeit angesichts einer großen Herausforderung (das Stück sollte erst „Insomnia“ heißen, bis es in letzter Minute in „Curtain Call!“ umbenannt wurde), anderseits die persönliche Verstrickung der Schauspielerin in Stoff und Materie.

„Curtain Call!“: wieder am 26., 27. und 28. März, 20 Uhr, Hochzeitssaal der Sophiensäle.

Harter Stoff, so gesehen: Die Geschichte einer verunsicherten Schauspielerin zwischen Neurasthenie und später Trauerarbeit. Wie gesagt, man weiß nicht, wie autobiografisch das Ganze ist.

Natürlich nutzt Judith Rosmair hier den ganzen Raum, den sie sich selbst geschaffen hat. Es scheint, als ob sie sich endlich einmal austoben wollte, ohne in eine streng vorgegebene Rolle schlüpfen zu müssen: eine Schauspielerin, die übrigens weitaus jünger wirkt, als sie tatsächlich ist, im Selbstfindungsprozess. Dass die Rosmair eine Schauspielerin ist, die nicht nur ihr Handwerk versteht, sondern einfach auch viel kann, ist in fast jeder Szene zu sehen. Die Szenen selbst sind hingegen nicht immer überzeugend – man spürt, dass das kleine Team um Ausgewogenheit bemüht war. So werden immer mal wieder Brüche eingezogen, und es geht von der Theaterkritik schnell zur Selbstkritik und zum Querverweis und wieder zurück.

Und doch gibt es merkliche blinde Flecken in „Curtain Call!“. Zum einen: Wo eine Muttergeschichte ist, ist eine Vatergeschichte meist nicht fern. Doch vom Vater der Schauspielerin erfährt man gar nichts. Die Verbindung zu Tolstois Klassiker bleibt rein biografisch – zwar baut Rosmair eine Liebesgeschichte ein zu dem, der im Stück nach dem Stück den Wronskij, also Anna Kareninas große Liebe, spielen soll (er bleibt abwesend, die Rolle unbesetzt) – aber die bleibt relativ blass. Ansonsten fragt man sich: Warum jetzt Tolstoi? Warum diese große Liebende Anna Karenina? Es erschließt sich leider nicht.

So kann „Curtain Call!“ für die große Judith Rosmair nicht viel mehr als ein Intermezzo sein. Ein Stück Trauerarbeit, ein Stück Selbstvergewisserung, unterstützt von solider Soundarbeit (schönster Satz im Programm: „Uwe Dierksen studierte Posaune.“) und betont zurückhaltendem Bühnenbau. Einfaches Stück, einfache Mittel.

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