Tibetische Minderheit in Nepal: Pekings Macht in Kathmandu

Die Repressalien gegen die tibetische Minderheit haben unter der maoistischen Regierung in Nepal zugenommen. Menschenrechtler fürchten wachsende autoritäre Tendenzen.

In Nepals Hauptstadt Kathmandu leben zahlreiche Exiltibeter in einem eigenen Viertel. Bild: dapd

KATHMANDU taz | Kelsang hat sein Zimmer in Kathmandus Tibeterviertel abgedunkelt. „Es wimmelt von chinesischen Spionen“, sagt er im Kerzenschein und meint die Zivilpolizisten, die in Nepals Hauptstadt allgegenwärtig sind. Er sei vorsichtig geworden, zu oft habe er Schlagstöcke zu spüren bekommen. „Wir stehen unter Generalverdacht. Es reicht wie ein Tibeter auszusehen, um ohne Haftbefehl festgenommen zu werden.“

Mit der Himalajaromantik der Reiseführer hat die Realität wenig gemein: Obwohl Nepals offiziell die Demokratie anstrebt, berichten Menschenrechtler von massiven Repressalien gegen Minderheiten. „Den 20.000 Exiltibetern sind die Grundrechte fast vollständig entzogen“, sagt Rameshwar Nepal, Chef von Amnesty International (AI) Nepal. „Das liegt auch am wachsenden Einfluss Chinas, das Nepals politische Instabilität nutzt, um seine Faust um die tibetische Gemeinde zu schließen.“

Sechs Jahre nach dem Bürgerkrieg kommt Nepals Politik nicht zur Ruhe: Politische Morde und gewaltsame Proteste sind Alltag. Seit die Monarchie 2006 abgeschafft wurde, schachern die großen Parteien um die neue Staatsform. Die Lebensbedingungen verschlechtern sich: hohe Inflation, Trinkwasser und Energiemangel. All das schürt den Demokratieverdruss in einem der ärmsten Länder der Erde. Deshalb werden die Rufe nach einer starken Hand lauter.

Als stärkste Partei stellen die Maoisten die Regierung. Traditionell eng mit Peking verwoben, forcieren sie die Einengung der Tibeter. Offiziell fordern die Maoisten eine Präsidialdemokratie, doch Beobachter fürchten, dass sie in Wirklichkeit eine kommunistische Diktatur ansteuern. Das wäre auch im Sinne von Chinas Regierung. Denn bislang pocht Nepals Opposition auf eine freiheitliche Verfassung, die auch die Grundrechte der Exiltibeter sichern würde.

„China will um jeden Preis verhindern, dass wir die Meinungs- und Versammlungsfreiheit zurückerhalten“, erklärt Kelsang. Knapp 50-mal sei er schon eingesperrt worden. „Tibeter werden in Nepals Gefängnissen wie Staatsfeinde behandelt. Die Verhöre bestehen aus physischer und psychischer Folter“, sagt der zierliche Mann.

Protest weicht ins Web aus

Dabei richte er sich nicht gegen den Staat: „Nepalesen und Tibeter leben seit Jahrzehnten friedlich zusammen, ich selbst bin hier geboren. Wir stellen uns ausschließlich gegen die Unterdrückung unserer Landsleute in ihrer Heimat.“ Wegen der Aggressivität der nepalesischen Polizei verlagert sich sein Protest jedoch zunehmen ins Internet. Über die Facebookseite „Exile Brothers in Nepal“ versucht er, die Öffentlichkeit zu erreichen.

Denn Pekings langer Arm hat auch Nepals Medien erfasst: „Die tibetische Gemeinschaft wird als Schreckgespenst karikiert. Von den kulturellen und wirtschaftlichen Beiträgen, die die Tibeter über Jahrzehnte geleistet haben, ist selten ein Wort zu lesen“, sagt ein Mitglied der tibetischen Exilregierung.

„Die falschen Anschuldigungen übertragen sich auf die öffentliche Meinung“, erklärt AI-Chef Nepal. Das läge vor allem an Chinas Propaganda: „Die Chinesen sind Nepals wichtigster Handelspartner. Sie setzen Entwicklungsgelder und wirtschaftliche Kooperationen gezielt ein, um Politik und Bevölkerung auf ihre Seite zu bringen.“

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