Tierwohl im Agrarministerium: Kritik an neuer Tierschutzbeauftragten
Die Parlamentarische Staatssekretärin Silvia Breher wird neue Tierschutzbeauftragte im Agrarministerium. Umweltverbände kritsieren die Personalie.

„Mit Silvia Breher gewinnt der Tierschutz in Deutschland eine starke Stimme auf Bundesebene“, sagt Agrarminister Rainer, „als engagierte, fachlich versierte und politisch erfahrene Bundestagsabgeordnete bringt sie genau die Kombination aus Sachverstand, Augenmaß und Gestaltungskraft mit, die es braucht, um den Tierschutz weiter voranzubringen.“ Ihm sei es bei der Neubesetzung dieser Funktion besonders wichtig, dass sie sinnvoll in bestehende Strukturen eingebettet sei, ohne neue Bürokratie aufzubauen.
Genau das aber stößt in der Tierschutz- und Umweltszene auf große Skepsis. „Die Ernennung von Silvia Breher als Bundestierschutzbeauftragte löst bei uns maximale Verwunderung aus“, sagt Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, „nach bisheriger Amtsbeschreibung soll die Bundestierschutzbeauftragte unabhängig beraten. Die Parlamentarische Staatssekretärin ist qua Amt zuständig für Tierschutz. Frau Breher wird wohl kaum mit sich selbst beraten können.“
Die Beauftragten „sollten ein kleines bisschen außerhalb der Verwaltung stehen und somit eine Beobachtenden-Position einnehmen können“, sagt Christian Hönig, Leiter der Abteilung Biodiversität des Umweltverbandes BUND. „Sie soll nicht nur eingreifen, wenn Tiere misshandelt werden, sondern auch erkennen, wo es strukturelle Probleme etwa bei der Tierhaltung oder -schlachtung gibt“. Wer, wie Breher, in ihrer Rolle als parlamentarische Staatssekretärin, im Zentrum der Macht stehe, könne nicht unabhängig agieren. „Das Amt der Tierschutzbeauftragten ist dann nur noch ein Namensschild, mehr nicht“.
Peta fürchtet: Thema Tierschutz wird an Relevanz verlieren
Julia Weibel, Referentin für Tiere in der Landwirtschaft der Tierrechtsorganisation Peta fürchtet, dass die Themen „Tierrechte, Anbindehaltung, Qualzuchtmerkmale in der landwirtschaftlichen Tierhaltung oder der juristisch definierte „vernünftige Grund“, der es erlaubt, Tieren Schmerzen und Leid zuzufügen, unter Breher an Relevanz verlieren“.
Breher selbst betonte bei Ihrer Ernennung zur Parlamentarischen Staatssekretärin, Landwirtschaft sei quasi ihre DNA und Herzensangelegenheit, da sie aus dem durch Landwirtschaft und vor allem Viehhaltung geprägten Oldenburgischen Münsterland stamme und auf einem Bauernhof aufgewachsen sei. Zu Tierschutz ist auf Ihrer Website zu lesen, „nicht immer führen schärfere Gesetze zu mehr Tierschutz. Eine Folge können auch Betriebsaufgaben oder eine Verlagerung ins Ausland sein“. Bei politischen Entscheidungen sei es für sie daher besonders wichtig, mögliche Folgen umfassend zu berücksichtigen.
Bei der bisherigen Amtsinhaberin Ariane Kari bedankte sich Rainer, sie habe „wertvolle Impulse für den Tierschutz gegeben“. Allerdings schied die parteilose Tierärztin Kari nicht freiwillig aus ihrem Amt, sondern wurde von Rainer entlassen. Hönig vom BUND bescheinigt ihr, als erste Bundestierschutzbeauftragte habe sie wichtige Wegmarken gesetzt. Wenn ihr schon jetzt schmaler Stab von vier Mitarbeiterinnen und das knapp bemessene Jahresbudget von knapp 500.000 Euro wegfallen sollten, würden die gerade entstandenen Strukturen für den Tierschutz wieder wegfallen, so Hönig.
„Wer das Amt einer unabhängigen Bundestierschutzbeauftragten ernsthaft will, sollte sich entscheiden“, fordert Tierschutz-Präsident Schröder, „entweder Parlamentarische Staatssekretärin oder unabhängige Bundestierschutzbeauftragte.“
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