Tipps für einen warmen Winter: Leben mit 17 Grad

Wie wird’s trotzdem kuschelig? Auch wenn man, ganz ökologisch korrekt, die Raumtemperatur senkt? Fünf empfehlenswerte Methoden.

Eine Frau mit dickem Wollschal

Modell Himalaya-Kloster: „Man muss seinen Teil beitragen, nicht wahr?“ Foto: Jasmin Sander/plainpicture

Die Temperatur in Wohnräumen soll abgesenkt, Heizenergie gespart werden. Im Durchschnitt liegt die Wohnzimmertemperatur im Winter derzeit in Deutschland bei etwas über 20 Grad. Mit jedem Grad an Absenkung spart man 6 Prozent Energie. Wer sozial und ökologisch korrekt 20 Prozent an Heizenergie sparen wollte, müsste die Raumtemperatur also um 3 Grad, auf durchschnittlich 17 Grad absenken. Wie kommt man mit dem Trend zur Abkühlung klar? Bisher schon gibt es diverse Verfahren – vorbildliche, originelle und weniger empfehlenswerte.

1. Die unsoziale Methode: Auf das Heizen der Wohnungsnachbarn hoffen

Das wird mitunter von Mie­te­r:in­nen praktiziert, die eine Wohnung mit wenig Außenwänden bewohnen, möglichst in der Mitte des Mietshauses. Man verlässt sich auf die Nachbar:innen, die den ganzen Tag zu Hause sind, ihre Bude schön kuschelig halten und dadurch die eigene Bleibe miterwärmen. Im alten Westberlin wussten Stu­den­t:in­nen das zu nutzen: Man freute sich, wenn die Rent­ne­rin­nen in den angrenzenden Wohnungen ihre Kohleöfen den Tag über in Gang hielten, sodass man selbst nie in eine eiskalte Bude kam.

Fragwürdig ist es aber auch, vor den Nach­ba­r:in­nen damit anzugeben, in der eigenen Wohnung den Thermostat ökologisch korrekt herunterzudrehen, („Tja, wir kommen mit 17 Grad aus, man muss seinen Teil beitragen“), weil die alte Dame von nebenan vielleicht ein erhöhtes Kälteempfinden hat und daher ihre Heizung kaum absenken kann, auch wenn sie nur über eine Armutsrente verfügt. Im Alter schwindet Muskelmasse, man bewegt sich weniger, wird kälteempfindlicher. Auch Babys sind kältesensibler, Eltern mit Säuglingen und Krabbelkindern können nicht einfach die Heizung runter drehen.

Wer die Heizung voll aufdreht und dabei die Fenster auf Kipp stellt, riskiert nicht nur wegen der Ökologie missbillige Bemerkungen von den Nachbarn. Schließlich wird ein Teil der Heizkosten immer auch über eine Umlage auf alle Mie­te­r:in­nen abgewälzt.

2. Modell Himalaya-Kloster: Sich an Kälte gewöhnen

Kälteempfinden ist auch eine Frage der Wahrnehmung. Kälte hat physiologisch gesehen ihr Gutes: Wer längere Zeit in Innenräumen verbringt, in denen 19 statt 25 Grad herrschen, regt die Produktion von braunem Fett an. Braunes Fett ist gut, jedenfalls besser als das weiße Fett, sagt die Wissenschaft. Wer viel braunes Fett hat, verbraucht mehr Kalorien als Menschen mit mehr weißem Fett. Das zeigte sich in einer Studie, über die das Deutsche Ärzteblatt 2020 berichtet hat.

Dass man sich an Kälte gewöhnen kann, sagt auch der Schweizer Thermoexperte Erich Hohenauer – sofern man sich regelmäßig niedrigen Temperaturen aussetzt. Viele Völker in nördlichen oder Hochgebirgsregionen leben schon immer so. Auf Jugendbildern des Dalai Lama sieht man diesen tief eingemummelt im eiskalten Potala-Palast seine Bücher studieren. In buddhistischen Klöstern in kalten Regionen wickeln sich die Mönche in Decken, um während der langen Sitzmeditationen nicht auszukühlen.

Wenn auch in Innenräumen niedrige Temperaturen herrschen, verschwinden die Grenzen zwischen drinnen und draußen. Die Idee, dass Innenräume durchgängig sehr viel wärmer (oder sehr viel kühler) sein müssen als die Luft draußen, ist nicht zuletzt eine kulturelle Konstruktion.

3. Einen neuen Kleidungsstil für die Lounge-Wear entwickeln

Wenn Innenräume abkühlen, wird die Innenkleidung wichtiger. In den USA sind die sogenannten TV-Decken bereits beliebt: Kuscheldecken für Erwachsene, aus Superplüsch – garantiert 100 Prozent Polyester – und mit angenähten Ärmeln, Fußsäcken und Kapuzen. Man steckt Arme und Füße in die Dinger und sinkt, eingemummelt wie ein Weihnachtsmann außer Dienst, aufs Sofa.

Mit dem flauschigen Sofa-Outfit wickelt man sozusagen ein Zelt um den Körper, bleibt dabei jedoch beweglich genug, um die Fernbedienung für den Netflix-Abend zu drücken. „Keine Beschwerden mehr darüber, dass das Haus zu kalt ist!“, heißt es in der Internetwerbung eines Anbieters. „Ihr Hund würde es lieben, neben Ihnen auf der Couch zu liegen und seinen Kopf in das Fleece zu stecken.“

Wer sich unauffälliger schützen will, greift zur Thermounterwäsche. Am Morgen, wenn die Räume durch die Nachtabsenkung noch kalt sind, streift man das aufgeraute Thermo-T-Shirt über, eine gute Grundlage für Bluse und Strickjacke. Thermounterziehwäsche trägt weniger auf als zwei Schichten Wollpullover übereinander. Es gibt Materialmischungen mit hohem Baumwollanteil, die fangen nicht so schnell an zu müffeln wie die reinen Polyesterthermohemden. Schließlich ist es ökologisch heikel, die Müffeltextilien ständig zu waschen.

4. Methode Mikrosport: Bewegen, bewegen, auch wenn es nur kleine Moves sind

Am billigsten ist es, selbst zur Körperwärme beizutragen. Die Energiesparverordnung der Bundesregierung sieht in öffentlichen Bürogebäuden noch höchstens 19 Grad Raumtemperatur vor – für Menschen mit überwiegend sitzenden und körperlich leichten Tätigkeiten. Für mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Stehen oder Gehen dürfen es 16 Grad Celsius sein.

Der Verband Deutscher Betriebs- und Werksärzte warnt davor, dass man sich bei 19 Grad im Büro mit feinmotorischen Arbeiten, etwa dem technischen Zeichnen, schwer tun könnte. Und nicht jedem liegt es, mit fingerlosen Handschuhen über Computertasturen zu klappern.

Be­triebs­ärz­t:in­nen empfehlen Bewegung zwischendurch. Schon leichtes Gehen, dabei die Hände ringen oder sich selbst Beifall klatschen: Das sorgt für bessere Durchblutung der Extremitäten.

Wobei es ja einen Gender-Thermo-Gap gibt, den haben Studien und die Barmer Krankenkasse beschrieben. Frauen haben im Durchschnitt eine etwas höhere Wohlfühltemperatur als Männer. Das liegt bei den Frauen angeblich an der niedrigeren Stoffwechselrate, an der geringeren Muskelmasse, an der dünneren Haut und der größeren Körperoberfläche im Vergleich zum Körpervolumen, figurtechnisch bedingt.

Laut der Barmer empfinden Frauen eine Bürotemperatur von 25 Grad als angenehm, Männer seien mit einer Raumtemperatur von 22 Grad zufrieden. Von diesen Messwerten kann man in Zeiten der Energiekrise nur noch träumen.

5. Modell Dinkelkissen: Sich ab und an Momente der Wärme gönnen und dies dann als Luxus genießen

Der Gender-Thermo-Gap erklärt vielleicht, warum manche Frauen öfter auf der Suche nach Extrawärmequellen sind. Wohnt man etwas kälter, sind sporadische Wärmespenden besonders angenehm, ein Highlight des Tages gewissermaßen. Ein Kissen mit Roggenkörnern oder Dinkel zum Beispiel, ein, zwei Minuten in die Mikrowelle gesteckt und dann auf die Oberschenkel gelegt, kann ein Gefühl von Kuscheligkeit geben.

Auch ein elektrisches Wärmeunterbett, unter das Bettlaken geschoben, schenkt Entspannung. Man lässt die Decke eine Stunde auf kleiner Stufe laufen und liest dazu leichte Literatur. Das fühlt sich sehr luxuriös an – und kostet fast nichts.

Menschliches Zusammenrücken ist die kostengünstigste Heizmethode. Das muss nicht immer eine Part­ne­r:in sein. Warum nicht im Winter – so Corona das zulässt – „Thermopartys“ aus der Taufe heben? Dazu lädt man viele Freun­d:in­nen ein, um durch die Körperwärme der Menschenmenge die Raumtemperatur auf natürliche Weise zu erhöhen. Dann darf man auch mal wieder in Minirock und dünner Strumpfhose aufkreuzen, die Jacke ausziehen, Haut zeigen. Wer es sündig mag, kann dann den Thermostat auf 24 Grad aufdrehen, zwischendurch, nur für eine Stunde. Als Ausnahme, zur Feier des Tages.

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